Echte Leben, echte Texte
KitschKrieg und die mediale Moderne von Christian WiebeKitschKrieg und die mediale Moderne
Die Veröffentlichung des ersten Albums des Hiphop-Produzenteams KitschKrieg im vergangenen Sommer hat für eine gewisse Aufregung gesorgt, aber von einem Skandal wird man nicht sprechen wollen. Foucault, Butler und Nietzsche konnten diesmal liegenbleiben; Cancel Culture, die Freiheit von Meinung und Kunst, Backlash und Ressentiment standen als Schlagworte jeweils bereit, aber warfen nur ihre Schatten auf eine Kritik, die in vielen ähnlichen Fällen bisweilen als ratlos bezeichnet werden könnte. Ratlos, weil sie zu den Phänomenen selbst oft wenig zu sagen hat, sondern jede künstlerische Äußerung so bereitwillig einer theoretischen Vorannahme unterwirft, dass man »Meinungsfreiheit« oder »struktureller Rassismus« fast nicht mehr auszusprechen braucht – es wissen ohnehin alle, was gemeint ist.
Dass Differenzierung nötig ist, wie zu Recht von »beiden« Seiten eingefordert wird, führt oftmals bloß zu einer Litanei der Selbstverständlichkeiten. Also: Bestimmte Dinge, die Künstler tun, sind verabscheuungswürdig und sogar strafbar; bestimmten Aussagen von Künstlern sollte unbedingt widersprochen werden; die Freiheit von Kunst darf nicht eingeschränkt oder untergraben werden usw. usf. Das kann man alles unterschreiben, aber Differenzierung könnte sogar bedeuten, die künstlerischen Erzeugnisse einmal zu beschreiben, offener zu fragen, in welcher Weise dort beispielsweise über Identität, Freiheit und Moral gesprochen – oder gerappt – wird. Das Album von KitschKrieg ist hier differenziert, und es lohnt sich, genau hinzusehen.