Oliver Schlaudt im Merkur

8 Artikel von Oliver Schlaudt

Zur Soziologie des Verlusts

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I Der Wunsch, in die Zukunft blicken zu können, muss uralt sein, denn er ist den Mythen vieler Kulturkreise gut bekannt, und sie belegen ihn oft mit einem hohen Preis, fordert er doch das Privileg der Götter auf Allwissenheit heraus. Während die Unkenntnis darüber, was das Schicksal einem jeden von uns bereithält, weiterhin zur conditio humana gehört, hat sich die Situation doch grundlegend geändert, wenn man nach den Rahmenbedingungen statistischer Kollektive fragt. Per Knopfdruck lässt sich mit den

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Schuld im Anthropozän

I Das Anthropozän stellt unsere modernen, westlichen Gesellschaften vor eine wahrhaft »kosmologische« Herausforderung. Damit meine ich nicht einfach die schiere Größe der Aufgabe, unser Wirtschaften in und mit der Natur nach ganz anderen Prinzipien zu gestalten, sondern die Tatsache, dass wir dazu aufgerufen sind, die Grundbegriffe, in denen wir die Welt, uns selbst und unsere Stellung in der Welt verstehen, an die veränderten Verhältnisse anzupassen. Begriffe wir »Natur«, »Subjekt«, »Technik«, »Politik« sind

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Formen des Sichtbaren

Philippe Descola und die Vielfalt der Kulturen Jan Vermeers Gemälde Der Astronom aus dem Jahr 1668 darf wohl in vielerlei Hinsicht – formal als auch inhaltlich – als emblematisch für die europäische Neuzeit gelten. Aber was zeigt dieses Bild eigentlich? Diese Frage kann man auf ganz unterschiedlichen Ebenen beantworten. Gegenstand der Darstellung ist ein Wissenschaftler der Zeit in seinem Studierzimmer. Auf dem Tisch vor ihm befinden sich ein zeitgenössischer Himmelsglobus, ein Astrolabium und ein

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Müll-Philosophie

Philosophie erforscht traditionell nicht den Müll, sondern Ideen. Nachdem mit dem Gerechten, dem Schönen und dem Guten schon die Top drei genannt sind, hakt Parmenides (Christoph Paret hat im Oktoberheft daran erinnert) bei Sokrates nach, ob es nicht auch für sich bestehende Ideen von »Haar, Kot, Schmutz« gebe, »und was sonst recht verachtet und geringfügig ist«. Die Antwort fällt eindeutig aus: »Keineswegs, habe Sokrates geantwortet«, und drehte diesen Dingen »schnell wieder den Rücken, aus Furcht, hier in

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Eine Weltkarte der Ungleichheit

Thomas Pikettys neues Buch »Kapital und Ideologie« »Die soziale Ungleichheit ist weder ein technologisches noch ein ökonomisches Phänomen, sondern ein politisches und ideologisches.« So lautet in einem Satz die Hauptthese von Thomas Pikettys neuem Buch Kapital und Ideologie.1 Stolze 1300 Seiten Text umfasst der Band, in dem der französische Starökonom sich anschickt, eine ökonomische, soziale und politische Geschichte inegalitärer Systeme von den Feudal- und Sklavenhaltergesellschaften bis zu den

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