Das gibt einmal eine Explosion!
Armin Mohler redivivus von Claus LeggewieIn der in diesem Frühjahr aufgeflammten Auseinandersetzung um die Carl Friedrich von Siemens Stiftung in München war der Elefant im Raum Armin Mohler. Der ab 1961 tätige Stiftungs-Geschäftsführer initiierte und verkörperte den Rechtsdrall, den sein fristlos entlassener Nachnachfolger Marcel Lepper aufarbeiten sollte. Der Streit der Frankfurter und Münchner Zeitungen um Landkarten mit Hakenkreuzen, Champagner-Empfänge, überhöhte Rednerhonorare und dergleichen weiche Faktoren wird erst relevant, wenn auch der harte ideologische Kern des von Mohler etablierten Stils und Gebarens der Stiftung freigelegt wird. Der Nachruf auf ihn fällt nicht eben schmeichelhaft aus: »Das rechtsnationale Gedankengut des ersten langjährigen Stiftungsgeschäftsführers Armin Mohler (1961–1985) ist eine zutiefst bedauerliche, bekannte und noch nicht vollständig aufgearbeitete Tatsache. Unsere Stiftung steht ohne Wenn und Aber zu ihrer Verantwortung, ihre Geschichte – auch über Mohlers Zeit hinaus – durch externe Wissenschaftler restlos aufarbeiten zu lassen.«
Krumme Vita, gradlinige Strategie
Wer also war dieser Mann, welchen Part übernahm er in der Ideen- und Mentalitätsgeschichte der alten Bundesrepublik, und warum ist er heute noch so präsent? Zunächst muss man den 1920 in Basel geborenen und 2003 in München verstorbenen Publizisten gehörig entdämonisieren. Seine krumme Vita ist weithin bekannt: 1942 meldet er sich als Freiwilliger, um mit Oswald Spengler im Tornister mit der »Aktion Barbarossa« gegen Bolschewisten zu kämpfen, aber die Waffen-SS weist den helvetischen Deserteur zurück. Sein Abgott ist ohnehin, wie er später sagen wird, nicht Adolf Hitler, sondern eher Benito Mussolini und lieber noch der spanische Falangisten-Führer Primo de Rivera.
So also nur unehrenhaft im Schweizer Bundesheer gedient, studiert der junge Mohler in Berlin und Basel Philosophie und Kunstgeschichte und promoviert 1949 mit einer Art kommentiertem Katalog zur Konservativen Revolution in Deutschland 1918–1932; Doktorvater Karl Jaspers tut ihn mit cum laude ab. Die bis heute als »Standardwerk« mystifizierte tour d‘horizon bietet diverse Rechte der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts jenseits der traditionellen (christlichen und ständischen) Konservativen auf; »konservativ« und »revolutionär«, was prima facie nicht zusammenpasst, verbindet Mohler zu einem Hybrid. Konservative sollen nicht länger Vergangenes bewahren, sondern überholte Traditionen aufsprengen; sie sollen nicht bloß Konterrevolutionäre sein, sondern selbst umstürzlerisch werden, noch weit über das hinaus, was Konservative gerne mit der Figur des Tancredi aus Giuseppe Tomasi di Lampedusas Roman Der Leopard (1958) herauslesen: »Wenn wir wollen, dass alles so bleibt, wie es ist, muss sich alles ändern.«
Mohler ist Neu-Heide, bewundert den faschistischen Stil, will die Verhältnisse von ganz rechts zum Tanzen bringen. Die Aversion der konservativen Revolutionäre gegen die Weimarer Republik überträgt Mohler in die abendländisch-atlantisch gestimmte Bundesrepublik. Vorbilder sind zwei im »Dritten Reich« belastete Liberalenfresser: Ernst Jünger, bei dem er 1949 als Sekretär anheuert, und Carl Schmitt, zu dessen Schüler er sich ohne besondere Gegenliebe adelt.
Für diesen Revisionismus bestehen in der frühen Bundesrepublik zahlreiche Nischen. Mohler strebt eine akademische Karriere an, publiziert als einfalls- und pointensicherer Stilist viel (unter anderem im Merkur) und am liebsten über Frankreich. Als Paris-Korrespondent der Schweizer Zeitung Tat und der damals noch rechtslastigen Zeit will er Deutschen den »halbfaschistischen« Gaullismus als Antidot der Westbindung und Hebel deutscher Wiedererstarkung zur Atommacht schmackhaft machen. Dem Establishment am nächsten kommt er bei dem zeitweiligen Atom- und Verteidigungsminister Franz Josef Strauß; mit dem CSU-Chef und dem BR-Fernsehmoderator (»Gute Fahrt« und »Jetzt red i«) Franz Schönhuber trifft er sich im »Franzensclub«, der intellektuellen Ausgabe des Amigo-Systems von FJS.
Mohler nutzt Publikationsmöglichkeiten im Bayernkurier wie (unter Pseudonym) in Gerhard Freys National-Zeitung; er schreibt Reden für Strauß und ein Parteiprogramm für Franz Schönhuber, in der Staatskanzlei platziert der joviale Strippenzieher Marcel Hepp, »eine der großen Hoffnungen der jungen Rechten«, der mit seinem Bruder Robert in Tübingen und Erlangen mit APO-Methoden die »Katholische (später Konservative) Front« aufgebaut hat. Im März 1967 erhält Mohler unter Anwesenheit des Namensgebers den »Adenauer-Preis« der rechtsradikalen »Deutschland-Stiftung« – »der Alte« hat in seiner trotzigen Altersradikalisierung offenbar verdrängt, wem er da die Hand schüttelt.
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