Heft 862, März 2021

Papa, was hast du im Krieg gemacht?

Der Algerienkrieg in der europäischen Erinnerungskultur von Claus Leggewie

Der Algerienkrieg in der europäischen Erinnerungskultur

Ob sich Väter und Großväter im Zweiten Weltkrieg schuldig gemacht und welche traumatischen Erlebnisse sie mit nach Hause gebracht hatten, blieb eine meist unvollständig beantwortete Frage deutscher Kinder und Enkel. Gestellt wurde sie auch in Frankreich, nicht an die Kombattanten der drôle de guerre 1939ff., sondern an die appelés, an Berufssoldaten und Wehrpflichtige, die zwischen 1954 und 1962 im Algerienkrieg gedient hatten. Ehefrauen und Kinder erfuhren wenig von ihren Erlebnissen, oft kam das Gespräch erst mit dem Ableben eines Einberufenen in Gang.

Generell deckte eine kollektive Amnesie »die Ereignisse« zu, die offiziell nie als ein Krieg deklariert worden waren, vom Gros der Franzosen wenig beachtet und von den meisten als zulässige Bekämpfung eines bewaffneten Aufstands bewertet wurden. Anders als retrospektiv bei der deutschen Wehrmacht waren da nach allgemeiner Überzeugung keine unzulässigen Eroberer weitab von der Heimat unterwegs gewesen, sondern Ordnungskräfte auf dem Gebiet der französischen Republik, »une et indivisible«, die nach den Worten von François Mitterrand und Charles de Gaulle »von Dünkirchen bis Tamanrasset«, vom Ärmelkanal bis in die südliche Sahara reichte.

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