Heft 899, April 2024

Das leibliche Wohl

von Susanne Neuffer

Es soll ein besonderes Fest werden. Die Wohnung ist klein, der Freundeskreis groß. Die Gastgeberin hat auf jeden Fall zu viele Menschen pro Quadratmeter eingeladen, zum Teil werden sich auch kritische Konstellationen ergeben, die bislang sorgfältig vermieden wurden. Aber nun ist es eben passiert, und diese wichtigen Menschen müssen zur selben Zeit auf kleinem Raum untergebracht, verköstigt und unterhalten werden, und das bei angemessenem Abstand, sollte man meinen, noch sind die Auslaufzonen jener Seuche in Erinnerung.

Die Gastgeberin hat darum gebeten, unkomplizierte Kleidung zu tragen und ein großes Handtuch mitzubringen. Was wird das werden? Etwa ein Yoga-Workshop zum Auftakt? Die Wohnung liegt im künstlichen Halbdunkel, gedämpft beleuchtet von Kerzen und kleinen roten Lämpchen, es sieht aus und duftet wie in einer chinesischen Rauschgifthöhle alter Schule.

Die Gäste stehen unschlüssig herum, mit Päckchen und Blumen in den Händen und dem gerollten Handtuch unter dem Arm. Sie sind alle recht fortgeschrittenen, ja würdigen Alters, gehören einer experimentierfreudigen Generation an, sind von unterschiedlicher Beweglichkeit. Jetzt wirken sie ein wenig angespannt, erwarten irgendwelche Körperübungen oder die Eröffnung einer Sauna in einem Winkel dieser Wohnung.

Sanfte, träge Ambient-Musik läuft, sehr schnell werden bunte Cocktails herumgereicht. Das Wohnzimmer ist weitgehend leergeräumt, man kann sich auf Isomatten, Wolldecken und kleinen Teppichen niederlassen.

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