Heft 852, Mai 2020

»Dump Trump«

Das Repertoire der (Un)Möglichkeiten von Wolfgang Fach

Vor sehr langer Zeit hat sich Folgendes zugetragen: Pippin der Jüngere bat bei Papst Zacharias um Auskunft darüber, wie man mit seinem Herrn, dem unfähigen Frankenkönig Childerich, umgehen solle. Im Klartext: Er wollte den Versager beerben und musste dafür das päpstliche Plazet erhalten. Der Bescheid aus Rom fiel günstig aus und wurde postwendend umgesetzt: Childerich ist ins Kloster geschickt, Pippin auf den Thron gehievt worden.

Um einen Zacharias bittend – nach gut drei Jahren Trump könnte man sich so halb Amerika vorstellen. Ausgerechnet jenes Land, das die moderne Demokratie ins Leben gerufen haben soll (Hannah Arendt), hat einen »verdammten Idioten« (Rex Tillerson) ins mächtigste Amt der Welt lanciert. Andererseits: Kaum war er dort angekommen, da hatten viele schon die Nase voll: »We’re just a month into the Trump presidency, and already so many are wondering: How can we end it?« 2018 stand das Thema immer noch auf der Tagesordnung. Und seit 2019 mischt sich schließlich Verzweiflung ins Fragespiel: »Will Trump ever leave the White House?«1

Was tun? Wie wird man ihn wieder los? Was kann seinen Furor begrenzen? Und wie konnte es überhaupt so weit kommen? Dump Trump – diese Parole steht für beides, ein verbreitetes Entsetzen und die allgemeine Ratlosigkeit.2 Dass das alles »weit hinten« in Amerika passiert, beruhigt inzwischen keinen mehr.

Verhindern

Nach der anfänglichen Erleichterung darüber, dass Trump nicht alles, wonach ihm sein Sinn stand, par ordre du mufti durchsetzen konnte, hat sich schnell Ernüchterung breitgemacht. Wie viel Macht mit dem Amt dann doch verbunden ist, war für jedermann überraschend. Inzwischen ist von der »absolute power presidency« die Rede: »King Donald« regiert.3

Offensichtlich haben Amerikas Gründerväter entweder vergessen oder zumindest keinen Weg gefunden, so etwas zu verhindern. Dabei hätte man gerade ihnen, deren Staatsgründung aus einer Rebellion gegen den britischen König hervorgegangen sein soll, zugetraut, selbstherrlichen Eskapaden à la Trump einen wirksamen Riegel vorzuschieben. Dass diese Chance verpasst worden ist, lässt sich allein schon daran ablesen, welchen Aufwand die revolutionäre Hautevolee damals getrieben hat, um ihren Höchsten so zu »royalisieren«, dass er den verlorenen Monarchen möglichst ersetzen kann. Das geht bis hin zur Titelei. George Washington als George IV. auszurufen war mit Abstand der bündigste Vorschlag,4 »His Elective Majesty« kann es damit fast aufnehmen. Am langatmigen Ende findet sich John Quincy Adams’ Idee: »His Highness, the President of the United States, and Protector of their Liberties«.5 Ins Bild dieser »Äfferei und Zwitterei« passt, dass Amerikas Revolutionäre keineswegs dem englischen König eins auswischen wollten, sondern das Parlament im Visier hatten – dessen Gewohnheit, den Kolonien Steuern abzuverlangen, ohne sie mitbestimmen zu lassen, ist ein ewiges Ärgernis gewesen.

Am Ende sollte ein Verfassungsprodukt herauskommen, das seine damaligen Kritiker treffend als »elective monarchy« charakterisiert haben.6 Was für manche ein Ärgernis war, während sich andere mit dem Zwitter durchaus anfreunden konnten – vorausgesetzt natürlich, geeignete Bewerber fürs hohe Amt würden sich finden lassen. Alexander Hamilton hatte schon 1792 das Trump-Risiko auf seiner Rechnung gehabt: »Wenn ein zügelloser und despotischer Mensch sich den Massen an den Hals wirft; jenen Schreiern, die notorisch die Freiheit bedroht sehen, nach dem Mund redet; bei jeder Gelegenheit die Regierung schlecht macht oder mit Verdächtigungen überzieht und all den modischen Unsinn der Fanatiker nachbetet« – wenn also so jemand die politische Bühne okkupiere, dann könne man darauf wetten, dass er nichts anderes will, als chaotische Zustände einführen und ausschlachten.7

Dagegen standen freilich die positiven Erfahrungen des Anfangs. Amerikas frühe Präsidenten haben ihren guten Ruf nicht zuletzt dadurch konsolidiert, dass sie, weil dem Amt nicht (mehr) gewachsen, von der Bühne selbstbestimmt abgetreten sind. »Jeden Tag«, hat George Washington eingestanden, »erinnert mich die Last der Jahre mehr und mehr daran, dass der Schatten der Zurückgezogenheit ebenso notwendig für mich ist, als er willkommen sein wird.« Weshalb er sich nach zwei Amtszeiten verabschiedet hat. Thomas Jefferson ist einen Schritt weitergegangen und hat die Option (aus Not) zur Regel (und Tugend) erhoben: »Es ist eine Pflicht und zugleich mein stärkster Wunsch, das Amt des Steuermanns in jüngere Hände zu legen.«8 Sieht man vom zweiten Roosevelt ab, hat seither niemand länger gedient, wiewohl aus den unterschiedlichsten Gründen, von der Lustlosigkeit bis hin zum Attentat.

Natürlich sollten Präsidenten nicht nur rechtzeitig abtreten, sondern davor auch vernünftig regieren. Dafür muss man den Richtigen erst einmal finden. Damit das personelle Reservoir sachverständig ausgeschöpft würde, hat die Verfassung mit dem Wahlmännerkollegium ein spezielles Gremium der »Besseren« etabliert, dessen einzige Aufgabe bis heute darin besteht, alle vier Jahre das Personalangebot zu sortieren und den »Besten« auszuwählen (Art. II/1). Diese Prozedur soll für mehr Expertise und weniger Emotion sorgen, als zu erwarten wäre, würde »the general mass« ungefiltert das Sagen haben.9

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