Wolfgang Fach im Merkur

19 Artikel von Wolfgang Fach

Der Mensch der Wissenschaft

Zu den ausgeleierten Postulaten des Wissenschaftsbetriebs gehört Humboldts Credo, Wissen floriere nur dort, wo die »Einheit von Forschung und Lehre« praktiziert werde. Was besagt: Vom Lehrenden wird verlangt, sein »Programm so vorzustellen und durchzuführen«, dass »der forschende Blick auf das Thema« immer deutlich bleibt.1 »Forschende Blicke« sollen sich auf den Gegenstand der Lehre richten; vom Gesicht des Lernenden ist keine Rede. Mit dieser Wendung aber sind wir neuerdings konfrontiert: Zu wissen, wie ein

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»Dump Trump«

Vor sehr langer Zeit hat sich Folgendes zugetragen: Pippin der Jüngere bat bei Papst Zacharias um Auskunft darüber, wie man mit seinem Herrn, dem unfähigen Frankenkönig Childerich, umgehen solle. Im Klartext: Er wollte den Versager beerben und musste dafür das päpstliche Plazet erhalten. Der Bescheid aus Rom fiel günstig aus und wurde postwendend umgesetzt: Childerich ist ins Kloster geschickt, Pippin auf den Thron gehievt worden. Um einen Zacharias bittend – nach gut drei Jahren Trump könnte man sich so

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Praying for Ginsburg

Erwartungsgemäß ist das »chinesische Virus« in die juristische Interpretationsmühle geraten. Nevadas Gouverneur hat es für richtig und rechtens gehalten, säkulare Aktivitäten weniger strikt zu regulieren als sakramentale. Seine Begründung: Verglichen mit Casinobesuchen (oder Aufenthalten in Restaurants, Fitnessstudios, Bowling-Zentren etc.) seien Gottesdienste sozial dichtere, also gesundheitlich riskantere Ereignisse. Eine randständige Sekte, die »Calvary Chapel Dayton Valley«, wollte sich diese

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Verseuchtes Verhalten

Die Amerikaner haben dafür die griffigste Formel gefunden: »Wash your hands, wear your mask, watch your distance.« Dann kann, so das Versprechen, das tödliche Virus euch nichts anhaben. Gibt es ein attraktiveres Verhältnis zwischen Aufwand und Ertrag? Und dennoch: Vom Händewaschen abgesehen, über das öffentlich nicht Buch geführt werden kann, haben diese Kulturtechniken, ihrer spektakulären Banalität und Effektivität ungeachtet, der Volksseele in den USA so zugesetzt wie nirgendwo sonst. Es hat sie fast

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Wiederkehr als politisches Motiv

Christian Dietrich Grabbe hat 1829 ein fünfaktiges Drama publiziert, betitelt Kaiser Friedrich Barbarossa. Als der Titelheld nach gewonnener Schlacht wieder heimkehrt, empfängt ihn seine treue Gattin Beatrice voller Überschwang: »Christi Auferstehung freut mich nicht wie deine!« Von dem Stück oder diesem Passus weiß heute niemand mehr. Immerhin lernt man, dass das Motiv der Wiederkehr Grenzen überschreitet und Felder miteinander verbindet: Christus kehrt wieder, Friedrich tut es ihm nach. Beide Gestalten

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Wählen gehen

Nach den Bundestagswahlen 2013 hatte das Max-Planck-Institut zwei bemerkenswerte Trends festgestellt. Zunächst einen Rückgang der Wahlbeteiligung – dabei sei, erfahren wir, insbesondere bedenklich, dass diese »niedriger als jemals zuvor« gewesen sei und außerdem zum allgemeinen Trend passe, bei »Bundestags- und Landtagswahlen genauso wie bei Kommunal- und Europaparlamentswahlen«. Dann die andere Misere: eine Schwächung der traditionell staatstragenden Kräfte, denn »gemessen an den Wahlberechtigten ist

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Im Eifer des Gefechts

Der Eifer des Gefechts schafft nur Probleme: Eifrige Menschen übersehen oder übertreiben etwas, übernehmen sich oder überreizen ihr Blatt, überspannen den Bogen oder überhören Signale. Wer sich nicht beherrschen kann, muss damit rechnen, dass ihm der Eifer am Ende sogar das Gefecht ruiniert. In der »großen Politik« gilt dieser Totalschaden freilich als »Höhepunkt« (Carl Schmitt) – sogar für jene, die ihn erleiden. Das sei deswegen so, erfahren wir, weil alle Beteiligten durch den Krieg eine Art

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Tod, wo ist dein Stachel?

Über Kriege in der Ukraine und anderswo Der Film erzählt, historisch informiert, die Geschichte eines französischen Majors, den man dazu abgestellt hat, Gefallene des Ersten Weltkriegs zu administrieren. Er führt deren Akten, ordnet ihre Überbleibsel, macht trauernde Hinterbliebene ausfindig. Seine Leben dreht sich um den Tod und nichts anderes. Der absolute Tiefpunkt ist erreicht, als man ihm den Auftrag erteilt, eine Leiche aufzutreiben, die alle Voraussetzungen mitbringt (französisch, männlich, weiß,

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Kritik und Krawall

Präsident Biden sei Amerikas »biggest asshole«. So hat sich vor einiger Zeit ein prominenter Landsmann öffentlich geäußert – jemand, den man (sprachlich) überall, nur nicht in der Gosse vermutet hätte.1 Wer allerdings der Hoffnung war, diesen ungenierten Ehrabschneider werde deshalb irgendein Bannstrahl treffen, sah sich getäuscht. Kein Anwalt ist in die Spur gegangen, weder von Staats noch Rechts wegen. Der Wert der Würde Aber auch andersherum wird ein Schuh draus: Hierzulande ist der »Höchste« so

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Eine monumentale Misere?

»Ein Monument zu errichten«, meint William Wordsworth, »hat etwas Nüchternes und Nachdenkliches an sich. Seine Inschrift soll immer und überall gelten. Die Widmung unterstellt daher auch, dass ihre Gedanken und Gefühle von zeitloser Natur sind.«1 Mit anderen Worten: Das funktionierende Denkmal steckt seinen Betrachter auf Dauer in ein intellektuelles und emotionales Korsett: Gedanken einerseits, Gefühle andererseits. Diese verdrehte Konstellation – das Objekt als Subjekt – kann sich unterschiedlich

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