Heft 886, März 2023

Eisen zu Eisen, PET zu PET?

von David Gugerli

In Deutschland werden jährlich über drei Millionen Personenwagen abgemeldet, die wenigstens fünfzehn Dienstjahre hinter sich haben. Die bundesamtliche Statistik verdeutlicht den tristen Erwartungshorizont von Kraftfahrzeugen: Irgendwann landen alle auf einem Schrottplatz. Dort werden sie rücksichtslos ausgeweidet, von Reifen, Schmieröl, Batterien und Kunststoffen befreit. Schließlich werden sie in handliche Pakete gepresst, auf große Lastwagen gehievt und zum Schmelzofen gefahren. Die letzte Fahrt braucht starke Motoren.

Der Schrottplatz markiert das Karriereende der meisten industriellen Produkte, die Metall enthalten. Aber nichts verschwindet einfach so, nur weil es aus dem Verkehr gezogen und ersetzt werden muss. Das Lebensende von Waschmaschinen, Betonmischern oder Mähdreschern ist mit viel Arbeit verbunden und ruft nach ganz großem Gerät: Schrottkräne, Gabelstapler, Förderbänder, Schredder, Schneidbrenner, Pressen, Container. Gutgeschulte Fachkräfte bedienen sie so lange, bis alles möglichst sortenrein gelagert und transportiert werden kann. Auf dem Schrottplatz entstehen neue Rohstoffe, mächtige Ströme von Kupferflocken und Eisenpulver zum Beispiel. Die Maschinen von einst sind verschwunden.

Das Verschwinden der Technik ist kein Thema, das die Technikgeschichte mag. Sie behandelt eigentlich immer das Neue, also Erfindungen, Entwürfe und Entwicklungen, die Zukunft hatten. Müll und Abfall gehören nicht dazu. Es kommen höchstens Technologien, gerne auch große technische Systeme infrage, mit denen Unbrauchbares besonders elegant entsorgt werden kann. Im Notfall und zur Vervollständigung des Bilds kann man sich auch um die politische Rekonfiguration des Abfallwesens kümmern. Themen wie städtische Kläranlagen oder Krematorien kommen da zum Zug, manchmal auch effiziente Kontrollsysteme im Knast oder nachhaltige Kreisläufe von Kunstoffen in der Konsumwelt. Eigentlich wäre eine Technikgeschichte über das hoffähige Recycling von PET-Flaschen schon lange fällig.

Freilich verkennt die Technikgeschichte bei dieser Präferenz für das Neue, das Elegante und Leistungsfähige, dass ein genauer Blick auf die Techniken des Verschwindenlassens von Technik besonders dort interessant wäre, wo sie versagen. Nicht die historische Untersuchung wohlimaginierter Kreisläufe, sondern mögliche Aneurysmen und Infarkte machen die Rede von der wundersamen Zirkulation kurios. Man könnte auch sagen, dass Engpässe und Lecks mehr erklären als die begeisterte Nacherzählung von farbigen Diagrammen, deren Pfeile wunderbarerweise immer den Ausgangspunkt suchen und finden. Zwei Hinweise müssen genügen.

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