Heft 888, Mai 2023

Geheime Spuren

von David Gugerli

Dass sich Technikgeschichte vor allem für das Entstehen neuer Technologien interessiert, muss man ihr nicht zum Vorwurf machen – schließlich führt die Frage nach der Technikgenese fast zwangsläufig auch zur viel unbequemeren Frage, was denn vom Neuen verdrängt worden ist. Die Produktion von technischen Einrichtungen ist auf fatale Weise an das mehr oder weniger sanfte Verschwinden von Geräten und vertrauten Verfahren gekoppelt. Ob das auch für Apparaturen des Geheimen gilt? 

Auskunft über geheime Maschinen zu erhalten, ist eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit. Wer mit ihnen arbeitet und sie versteht, wird sich hüten, darüber zu berichten. Das trifft auch zu für die zehntausend britischen Geheimdienstmitarbeiterinnen, die im Zweiten Weltkrieg in Bletchley Park unter höchster Konzentration an der Entschlüsselung deutscher Geheimnachrichten arbeiteten. Sie hatten weder die Erlaubnis noch die Zeit, darüber nachzudenken, woher ihre Maschinen kamen, wie sie funktionierten und wohin sie nach dem Krieg verschwunden sind. Mit großer kollektiver Anstrengung und äußerst disziplinierten Verfahren hatten sie gelernt, britische Nachrichten zu verschlüsseln und aus den Funksprüchen, die von deutschen Enigma-Maschinen verhackstückt worden waren, fristgerecht englischen Klartext zu machen. Damit kamen sie gut voran, ohne dass man es bei der Wehrmacht gemerkt hätte.

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