Heft 877, Juni 2022

Zwanzig Jahre Inkubationszeit

von Hanna Engelmeier

Das Berufsbild des Schellenknechts ist mittlerweile landläufig eher unbekannt. Schellenknecht konnte man beispielsweise in der Frühen Neuzeit werden, wenn man sich in den Dienst eines städtischen Leprosiums stellte und für die dort internierten Aussätzigen allerhand Aufgaben übernahm, beispielsweise Spenden sammeln oder die Arbeit eines Küsters verrichten oder auch verstorbene Lepröse begraben. Ankündigen musste er sich mit Schellen, so wie die Leprakranken vor ihrem Erscheinen mit einer hölzernen Klapper warnten.

Bei einem so breiten Aufgabenspektrum kann natürlich das eine oder andere schiefgehen. Zwischen 1613 und 1617 kommt es beispielsweise in Koblenz zu Friktionen zwischen den Leprösen und ihrem Schellenknecht, angeblich hat er erst Almosen veruntreut und dann die Bewohner des Siechenbergs durch das anstößige Verhalten seiner Ehefrau verärgert: »Wegen der überaus großen Unzucht und Schand mit Fressen und Saufen sollte nach Beschluß des Rates die Frau des Schellenknechts bestraft werden. Wie die Sache weiterging, ist nicht bekannt.«

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