Leserreaktion auf Ute Sacksofskys Kolumne
Ein Leserbrief von Karl Schulte zu Ute Sacksofskys auch online frei zugänglicher Rechtskolumne Das Märchen vom Untergang der Familie:
Sehr geehrte Frau Prof. Sacksofsky,
Ihre Rechtskolumne im Merkur hat mich in mehr als einer Hinsicht beeindruckt. Zuerst einmal, sie ist, auch nach zweimaligem Lesen ist das unbestreitbar, grandios geschrieben, herzlichen Glückwunsch! Und ja, Sie haben gewonnen mit Ihren Ansichten, daran gibt es keinen Zweifel. Geben Sie zu Beginn Zeugnis Ihrer bestechenden Qualitäten durch nüchterne Darstellung des Problemfeldes und seiner rechtlichen Geschichte, so können Sie doch bald Ihrer Siegesgefreude kaum Zügel anlegen, etwa wenn Sie das BVG die vermutete Ungleichbehandlung „ nicht durchwinken“ lassen. Ab da, verzeihen Sie mir den Ausdruck, wird´s geschwinde salopp.
Mir stellt sich auch nach der Lektüre immer noch die Frage, ist das, was jetzt so eindeutig entschieden ist, gut und ist es richtig. Selbst durch den Spiegel Ihrer Darstellung betrachtet, erscheint mir die Position von Herrn Germann durchaus nicht so ridicül, wie Sie meinen. Und ich kann darin auch keine schwächliche Ironie erkennen. Was etwa seinen Verweis auf die Walküre betrifft, so kann ich Ihr Ehrgefühl durchaus beruhigen. Der schwule Lifestyle in unseren Metropolen bietet, das kann ich beurteilen, keinen Anhalt, sich durch solche Vergleiche beleidigt zu fühlen. Doch das nur am Rande.
Ich habe ein erhebliches Problem mit Ihrer juristischen Herleitung. Das wird Sie vielleicht seltsam anmuten, dass ein juristischer Laie da Widerspruch anzumerken wagt. Doch ist unser Grundgesetz von bewundernswerter Klarheit in seiner Sprache, ist es doch für das Volk geschrieben als seine Verfassung. Hier geht es nicht um rechtliche Möglichkeiten des Verkaufs von Emissionsberechtigungen, die überlassen wir gerne den zuständigen Kapazitäten. Nein, hier geht es um das Gefüge unseres Zusammenlebens als Gesellschaft und da hat jeder Bürger das Recht mitzusprechen.
Die Heranziehung des Artikels 3 GG als Passepartout für jedwedes emanzipatorische Anliegen zeugt von nichts anderem als einer bewussten Verwischung von Unterschiedlichkeit. Artikel 6 spricht von Ehe und Familie und es ist eindeutig, dass damit eine Einheit gemeint war. Eine andere Art von Familie lag außerhalb des Verständnisses der Verfassungsgeber, und wenn in unserer Zeit sich dieses geweitet hat, erlaubt das keineswegs die Trennung der Begriffe. Solch ein Manöver ist nicht anders zu bewerten als der bedauerlicherweise ebenfalls erfolgreiche Versuch der National Rifle Association, „the right to bear arms“ von den „standing militias of the states“ zu trennen.
Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. Das ist richtig, das ist wichtig, das ist gut. Das heißt aber mitnichten, dass alle Verhältnisse der Menschen zueinander und miteinander gleich sind. Wozu haben wir sonst ein BGB? Das ist letztendlich nichts anderes als eine Kompilation und Kodifizierung von Unterschiedlichkeiten menschlicher Verhältnisse zueinander. Das Besondere macht den Unterschied.
Nun ist es nicht so, dass viele dieser möglichen Verhältnisse es ins Grundgesetz geschafft haben, noch dazu in den Abschnitt der Grundrechte. Ehe und Familie haben das. Da stellt sich doch die Frage nach dem Warum. Waren das vornehmlich tradierte religiöse Vorstellungen, welche uns in unseren aufgeklärteren Zeiten nicht mehr zu kümmern brauchen? Oder war es durchaus die Überzeugung, dass die Ehe als Stiftung einer Familie das bewährteste und somit besonders schützenswerte Institut der Gesellschaft ist? Die Überzeugung, dass die Ehe, horribiel dictu, auf Kinder ausgerichtet ist und am besten geeignet ist, diesen eine liebevolle und zuträgliche Erziehung zukommen zu lassen? Die Überzeugung, dass die Ehe am besten geeignet ist, den Fortbestand der Gesellschaft zu sichern?
Unsere Verfassung, und nur dafür ist das BVG zuständig, ist keine Beschreibung der gesellschaftlichen Vielfalt in rein positivistischer Manier. Sie beinhaltet beileibe nicht nur Darstellungen von Verhältnissen, wie sie sind. Sie nimmt Position zugunsten und zuwider und sie ist auf Werten gegründet, welche einzufordern sie nicht scheu ist.
Seit wann ist die Privilegierung des besonders Wertgeschätzen eine Diskriminierung anderer Lebensformen? Wie kommen denn unsere Gestzgeber dazu, Müttern eine Rente zuzugestehen für das reine Kinderkriegen und –aufziehen, ohne Zweifel keine sozialversicherungspflichtige Tätigkeit? Sie tun es, um ihren Beitrag für die Zukunft unserer Gesellschaft zu entgelten.
Nun sind die Einwände bekannt: Ehe ist nicht notwendigerweise auf Familie im Sinne von Kindern ausgelegt. Geschenkt. Ehe ist, unter heutigen Maßstäben betrachtet, eine Formalie, welche statistisch keine große Bindungswirkung mehr hat. Schon interessanter. Das Band, welches Mann und Frau durch die Ehe zusammenbindet, ist locker geworden, nicht zuletzt durch stete Änderungen des Scheidungrechtes. Keiner Frau kann heutzutage noch das Risiko zugemutet werden, auf die Ehe als Lebensplan zu setzen. Sie findet sich immer öfters in ihren Vierzigern wenn nicht auf der Straße, so doch auf dem rauhen Arbeitsmarkt wieder, nachdem der Gatte sich entschieden hat, mit einer Jüngeren noch einmal neu zu durchstarten, und die Kinder aus dem Gröbsten raus sind. Hier sind es, wie in vielen anderen Feldern auch, zuvörderst die Frauen, welche den Preis des Fortschritts und der Verherrlichung individueller Verwirklichung zu bezahlen haben.
Die rechtliche Nivellierung sämtlicher Lebensverhältnisse ist selbstverständlich gegen den Artikel 6 GG gerichtet, indem sie den besonderen Schutz gerade aufhebt. Anderes zu behaupten ist pure Augenwischerei und Rabulistik. Dass ein beträchtlicher Teil der Kinder außerhalb der Ehe geboren und aufgezogen wird, ist per se überhaupt kein Argument, der Ehe ihre bevorzugte Rechtsstellung zu entziehen. Man kann mit besserem Recht dafür plädieren, gerade weil die Ehe an Geltung verliert, ihren Schutz zu erhöhen.
Ebenso wenig hält die Behauptung stand, Ehe sei gar nicht mehr in erster Linie auf Familie im Sinne von Kindern ausgerichtet. Dass viele Menschen heiraten, ohne damit eine Zukunft mit Kindern zu planen, ändert nichts an der Tatsache , dass für die Mehrzahl der Brautleute das durchaus noch gilt, und der Staat ist gut beraten, dies im Interesse seiner Zukunft mit aller Macht zu fördern.
Die Gleichheitsschule geht gegen alle Empirie davon aus, dass es egal sei, in welchen privaten Verhältnissen Kinder aufwachsen, ob in einer herkömmlichen Fanmilie oder bei Alleinerziehenden oder bei gleichgeschlechtlichen Paaren. Das ist erstens nicht wahr und auch nicht von Belang. Artikel 6 GG stellt ganz klar die Rechte aller Kinder, welche gleich sind, neben die bevorzugte Stellung von Ehe und Familie. Den Kindern wird hierin kein Leids getan.
Das öffentliche Interesse, Ehe und Familie besonders schützen, welches sich Ihnen so gar nicht erschließen will, besteht in der bestmöglichen Sicherung unserer Zukunft, für welche in selbiger die bestmögliche Form für Aufzucht und Erziehung von Kindern besteht.
Zu behaupten, das entwerte all die anderen Verhältnisse, in denen mit allem Mut und aller Liebe Kinder großgezogen werden, ist abwegig. Die Form ist nicht entscheidend, doch ist sie auch alles andere als egal. Uns so steht es nun mal im Grundgesetz.
Die Kritik der Ehe als bürgerliches Gefängnis ist seit Flaubert Brot und Butter der Literatur und sie ist hinreichend desavouiert. Das kann aber nicht die Leitschnur des BVG sein. Es hat die Verfassung nicht zu entwickeln oder fortzuschreiben oder an die geänderten gesellschaftlichen Wirklichkeiten anzupassen, das ist das alleinige Recht und die Pflicht des Verfassungsgebers und die Instrumente dafür sind vorhanden. Es überhebt sich, wenn es zunehmend zum Akteur der Gesetzgebung wird und vermindert damit seine Autorität.
Es sind ja nicht nur die von Ihnen angeführten Sukzessiventscheidungen, es geht ja munter weiter.
So ist aktuell entschieden worden, dass die reine Erklärung einer Vaterschaft zu staatsbürgerlichen Rechten führt. Wo führt das hin? Ich kann es Ihnen sagen. Es entwickelt sich, nur zum Beispiel, in homosexuellen Kreisen eine bemerkenswerte Tendenz, auch Familie sein zu wollen. Das geht dann so ( und ist nicht von Aldous Huxley ): Ein schwules Paar sucht eine Eispenderin ( bevorzugt weiße Akademikerin mit sportlichen Genen ), lässt eine Handvoll von Embryonen mit eigenem Samenmix herstellen, implantiert diese in den Bauch einer indischen Leihmutter, welche unter professioneller Betreuung Austragung und Geburt übernimmt, um dann gleich danach von ihrer Frucht getrennt zu werden, unbeschadet aller Folgen seelischer oder körperlicher Art.
Bislang musste man findigerweise einen Umweg über Israel nehmen, um eine Anerkennung der Vaterschaft und somit Aufenthaltsrecht in Deutschland zu erlangen, und hiesige Verwaltungsgerichte haben sich bislang seltsam stur gestellt, solche Manöver zu legalisieren. Aber das hat ja jetzt ein Ende.
Was allerdimgs kein Ende hat, sind die Möglichkeiten einer schönen neuen Welt, denen das BVG mit einer solchen Entscheidung die Türe weit geöffnet hat. Wofür wird in Deutschland noch über Embryonenschutz und Verwerflichkeit von Eugenik gestritten, wenn solchen Debatten keiner mehr Beachtung schenken muss.
Es gibt in Shenzhen im Süden Chinas die auf dem Weltmarkt führende Firma B.G.I. ( Beijing Genome Institute ), welche keine Probleme damit hat, Erbgutanalysen für jedermann zu erstellen, und die Preise und die Geschwindigkeit der Ergebnisse bewegen sich umgekehrt proportional. Ein augenöffnender Bericht darüber ist in der Ausgabe des New Yorker vom 6. Januar 2014 nachzulesen.
Hat das noch mit Artikel 6 GG zu tun? Nicht direkt vielleicht, aber sehr viel mit der Anmaßung des BVG, Verfassungsrecht zu schaffen statt selbiges zu hüten.
Und indirekt gleichwohl; denn angesichts solcher Möglichkeiten der „Selbstverwirklichung“ – die Anführungstriche sind hier notwendig – erscheint das Bestehen auf einer Leitbildgarantie für die Ehe überhaupt nicht übergriffig, sondern als Anker für das gesellschaftliche Gefüge.
Und noch etwas: Die Ehe als patriarchalische und somit frauenfeindliche Institution zu bezeichnen, möchte ich so unautorisiert wie entschieden als Beleidigung der modernen Frauen zurückweisen, welche da durch die Bank schon weiter sind und es unbestreitbar sehr gut verstehen, die Rollenverteilung immer wieder neu zu verhandeln.
Und was, sehr geehrte Frau Sacksofsky, soll der Verweis auf unsere europäischen Nachbarn, welche da angeblich „weiter“ sind? Meinen Sie etwa unsere französischen Nachbarn, denen zuliebe Herr Hollande gerade seinen ach so emanzipatorischen Gesetzentwurf zur Grande Transformation der Familie zurückgezogen hat? Oder Polen? Oder England? Oder Spanien? Von welchen unserer Nachbarn sprechen Sie?
Und ein Letztes: In der selben Ausgabe des Merkur finden sich neben ihrer so bemerkens-wie lesenswerten Kolummne die Betrachtungen von Leander Steinkopf über das Berlin unserer Tage, in welchem sich, wie es scheint, alle Beziehung auflöst in ungemuter Gleichgültigkeit.
Ich möchte schon fragen, ob die Chaussee, auf welcher Sie so selbstgewiss wie frohgemut fortschrittsgläubig Ihrer Wege ziehen, nicht in eben dieses Berlin führt.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. med. Karl Schulte
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