Merkur-Gespräch zum Merkur-Preis
Wir haben in diesem Jahr den Merkur-Preis doppelt vergeben, an die Rechtswissenschaftlerin Samira Akbarian (Goethe-Universität Frankfurt) für ihre Studie zum Thema Ziviler Ungehorsam als Verfassungsinterpretation.Nationalismus in der Zeitgeschichte
Der 22. Oktober 2022 hätte ein hübscher Gedenktag weiblicher Emanzipation werden können. Mit Giorgia Meloni trat die erste Frau das Amt der italienischen Ministerpräsidentin an. Ihren Landsleuten galten Weiblichkeit und leadership, wie die Italiener das seit dem Tod des Duce nennen, die längste Zeit als inkommensurabel, weil die Art, wie hier Politik kommuniziert und ästhetisiert wird, männliche Gebärden begünstigt. Frauen kamen durchaus in staatstragende Positionen. Die kommunistische Spitzenpolitikerin Leonide »Nilde« Jotti machte seit 1979 als Parlamentspräsidentin vor, wie das ging. (mehr …)Eisen zu Eisen, PET zu PET?
In Deutschland werden jährlich über drei Millionen Personenwagen abgemeldet, die wenigstens fünfzehn Dienstjahre hinter sich haben. Die bundesamtliche Statistik verdeutlicht den tristen Erwartungshorizont von Kraftfahrzeugen: Irgendwann landen alle auf einem Schrottplatz. Dort werden sie rücksichtslos ausgeweidet, von Reifen, Schmieröl, Batterien und Kunststoffen befreit. Schließlich werden sie in handliche Pakete gepresst, auf große Lastwagen gehievt und zum Schmelzofen gefahren. Die letzte Fahrt braucht starke Motoren. (mehr …)
Der Flachsweg
Bauern leben im Offenen, und die Landschaften, die sie bewohnen und bearbeiten, sind Wetterwelten. Dies gilt umso mehr für die norddeutsche Küste, wo das Land flach, der Wind stark und die Felder von Gräben durchzogen sind, um die Entwässerung zu gewährleisten. Für den Bauern ist das Wetter immer eine wechselhafte Angelegenheit, und meistens ist es nicht so, wie man es gerade gerne hätte. Der Klimawandel macht die Sache nicht einfacher. (mehr …)
Ein Fach diskutiert über sich selbst
Für viele in Deutschland kam der russische Angriff auf die Ukraine am 24. Februar 2022 unerwartet, auch für eine ganze Reihe derer, die sich wissenschaftlich mit Osteuropa beschäftigen. In einer frühen Stellungnahme warf Gerhard Simon, der Doyen der politikwissenschaftlichen Forschung – und Politikberatung – zu Osteuropa und insbesondere der Ukraine, der gesamten deutschen Osteuropaforschung vor, versagt zu haben: Sie habe es nach 1991 selbst in dreißig Jahren nicht geschafft, ihre einseitige Fokussierung auf Russland zu überwinden. (mehr …)
Inverses Schönreden. Kommentar zu Geert Lovinks „Die Plattformfalle“
»Es liegen Nuggets im Schlamm« hieß die Parole einst, als im Netz und im Web noch Goldgräberstimmung herrschte. Nicht alles, was glänzt, ist Gold, das war natürlich auch damals schon allen bewusst. Rasch war aus der Kathedrale der Basar geworden, mit all seinem Lärmen und nicht selten viel Lärm um Nichts.1 Nur sollten dennoch, sollten gerade in diesem Tohuwabohu auch Perlen zu finden sein. Oder eben Gold: »Es werden unglaubliche Mengen an Schwachsinn und Redundanz um den Globus bewegt, aber es liegen Nuggets im Schlamm.«2 (mehr …)
Zuhause in der Welt. Zu Amartya Sens Erinnerungen
Im Alter von vierzig Jahren gründete der Schriftsteller Rabindranath Tagore in einem ländlichen Teil des heutigen indischen Bundesstaats Westbengalen, etwa 150 Kilometer nördlich von Kalkutta, eine kleine Schule und gab ihr den Namen Shantiniketan – Heimstatt des Friedens. Das war im Jahr 1901. Zwanzig Jahre später rief er gleich daneben eine Universität ins Leben und gab ihr den Namen Visva-Bharati – eine Verbindung der beiden Sanskrit-Wörter für Welt und Weisheit. Das Motto: »Wo die ganze Welt in einem Nest zusammenkommt«. (mehr …)