• Falsche Freunde

    Eine Gruppe von Wissenschaftlern und Philosophen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz hat Anfang Februar das Netzwerk Wissenschaftsfreiheit gegründet. Das Netzwerk möchte Verletzungen der Wissenschaftsfreiheit dokumentieren und kritisieren. (mehr …)
  • Der letzte Medientheoretiker

    Friedrich Kittler soll einmal gesagt haben, solange es Leute wie Erhard Schüttpelz gebe, sei ihm um die deutsche Medientheorie nicht bange. Ein größeres intellektuelles Kompliment ist kaum vorstellbar, und doch ist es erklärungsbedürftig. Während Kittler nach seinem Tod international nach wie vor als Eigenname deutscher Medientheorie verstanden wird, trifft schon die Verortung von Erhard Schüttpelz im Binnenkontext ‚deutscher‘ Medientheorie nicht mehr zu. Selbst wenn Schüttpelz mitunter von sich selbst als „westlichstem der Westdeutschen“ spricht – und auch publizistische Pseudonyme durch geografische Hinweise ironisiert –, so ist für ihn der binnenwestdeutsche Maßstab wesentlich zu klein. Als postkolonialer Denker, Ethnologe und Literaturwissenschaftler, als analytischer Philosoph und Sprachtheoretiker, als Medientheoretiker, der Bruno Latour hätte seien können (so dieser dies denn gewollt hätte), als Sozialtheoretiker, Kulturtechnikforscher, Situationist, Strukturalist und nicht zuletzt als Musiker sprengt Schüttpelz alle Kategorien national und disziplinär verortbarer Wissenschaftskulturen. (mehr …)
  • Nennen wir es eine Retrovolution

    Über einen Monat ist es her, dass sich mehrere tausend Trump-Anhänger im Anschluss an eine Rede des US-amerikanischen Präsidenten, der nicht akzeptieren wollte, dass ihn nur noch wenige Stunden von der endgültigen amtlichen Verkündung seiner Wahlniederlage trennten, auf sein Geheiß hin zum Kapitol in Bewegung setzten. Barrikaden wurden niedergerissen, Türen aufgebrochen, Fensterscheiben eingeschmissen und der gewaltsame Zutritt nahm seinen Lauf. Über Stunden konnte man im Fernsehen verfolgen, wie die Menschen in das Gebäude strömten. (mehr …)
  • Eine Gesellschaft ohne eigene Öffentlichkeit? Eine Erwiderung auf Jürgen Habermas‘ Thesen zum Erfolg der AfD im Osten

    In einem neueren Aufsatz (Dreißig Jahre danach. Die zweite Chance, Blätter für deutsche und internationale Politik 9/2020) ist Jürgen Habermas der Frage nachgegangen, worauf die hohen Wahlerfolge der AfD im Osten beruhen. Seine Erklärung: Die Ostdeutschen konnten sich nie gründlich mit der NS-Zeit auseinandersetzen, denn sie hatten „weder vor 1989 noch nachher Zugang zu einer eigenen politischen Öffentlichkeit, in der konfligierende Gruppen hätten eine Selbstverständigungsdebatte führen können.“   (mehr …)
  • Bedrohte Wissenschaftsfreiheit: Alles nur Einzelfälle?

    Jan Plamper bastelt mit seinem Beitrag fleißig mit an dem Meta-Mythos, die Bedrohung der Wissenschaftsfreiheit durch die (angebliche) Cancel Culture wäre nur ein Mythos, so wie auch die Behauptung ein Mythos wäre, an geistes- und kulturwissenschaftlichen Fakultäten gebe es eine linke Hegemonie. Das wären, so der Meta-Mythos, nur Erdichtungen vor allem konservativer und rechter sowie alter und weißer Professoren, die sich zwar gerne mit ihren typischerweise nationalen, migrationsfeindlichen und islamophoben Positionen aus dem Fenster hängen, bei kritischem Gegenwind aber sofort aufjaulen und rumschreien, eine linke Meinungsmafia beraube sie ihrer Freiheit. Dieser gar nicht neue Meta-Mythos lässt sich leicht belegen. (mehr …)
  • Wie ich einmal gecancelt werden sollte

    Die Gründer des „Netzwerks Wissenschaftsfreiheit“ wollen gegen eine angeblich weit verbreitete „Cancel Culture“ vorgehen. Damit könnten sie in den eigenen Reihen anfangen Vergangene Woche ist das Netzwerk Wissenschaftsfreiheit erstmals an die Öffentlichkeit getreten. In der Presseerklärung heißt es, „Cancel Culture und Political Correctness haben die freie und kontroverse Debatte auch von Außenseiterpositionen vielerorts an den Universitäten zum Verschwinden gebracht“. Unterzeichnet haben 62 Akademiker und zehn Akademikerinnen, mehrheitlich mit Professuren in Deutschland. Sie alle sehen den freien Austausch unterschiedlicher Meinungen an der Universität gefährdet. Statt dass den Idealen der Aufklärung entsprechend das bessere Sachargument gewinnen könne, würden missliebige Meinungen von vornherein ausgeschlossen, und zwar indem man diejenigen, die sie vertreten, „moralisch“ diskreditiere. (mehr …)
  • Sehnsucht nach der Kriegswirtschaft

    Impfstoff für alle, und das möglichst bald! Helfen sollen dabei jetzt die Methoden der Kriegswirtschaft. Schon am Tag vor Heilig Abend zog der Bonner Wirtschaftshistoriker Moritz Schularick diesen phantastischen Vergleich: Den für den Krieg typischen Interessenkonflikt zwischen Staat und Unternehmen müsse man kennen, um das gegenwärtige Dilemma der Impfstoffproduktion zu lösen. Kriegswirtschaft, das bedeutet Privatunternehmen zum Aufbau von Produktionskapazitäten und zur Herstellung von Gütern zu bewegen, an denen sie auf mittlere Sicht gar kein Interesse haben – weil die spätere Verwendung der Anlagen fraglich und die Nachfrage nach Bomben und Munition endlich ist. Die Lösung: Finanzielle Anreize und  staatliche Lenkung. Rund um den „Impfgipfel“ im Kanzleramt war kein Halten mehr: Die Zeit, in der finanzielle Anreize bei den Unternehmen noch etwas bewirken könnten, sei längst verstrichen, so Schularick. Er rief jetzt nach einem „Krisenstab mit Weisungsgewalt“, in dem „die Politik, die Vorstandschefs der Pharmaunternehmen und die Wissenschaft vertreten“ sein müssten. (mehr …)