• Zurückrudern auf Polnisch

    Anderthalb Jahre nach dem Sieg der Bürgerplattform in den polnischen Parlamentswahlen sind die Folgen der national-katholischen Übernahme zentraler polnischer Kultureinrichtungen noch immer zu spüren. Sowohl die Geschwindigkeit als auch das Ausmaß der Veränderungen der Kulturpolitik unter der Ägide des PiS-Kulturministers Piotr Gliński stellt bis heute eine Herausforderung für die neue Regierung dar. Robert Piaskowski vom Polnischen Kulturinstituts beschreibt die Transformation als fragilen Prozess. Bei einer Diskussion Polnischer Perspektiven an der Berliner Akademie der Künste erklärte er, dass erst der Ausgang der Präsidentschaftswahlen im Mai Gewissheit über die Arbeitsbedingungen für polnische Kulturschaffende bringen werde. Olga Brzezińska vom Adam Mickiewicz Institut betont: „Der mühsame Weg zur Demokratie lässt sich nicht vorhersagen“ und fügt hinzu: „Die PiS hatte Kultursystematisch zur politischen Waffe gemacht.“  (mehr …)
  • Reise in die Vergangenheit

    Während im Bundestag Politiker aller Parteien in der Aussprache über die Regierungserklärung von Olaf Scholz ihren Beitrag dazu leisten, dass Migration das zentrale Thema des Wahlkampfs wird, halten Beamte der Bundespolizei den Bus 981 an, der vom Słubicer Platz der Helden zum Bahnhof in Frankfurt (Oder) kursiert. Die Linie ist eine Errungenschaft des vereinigten Europas Vor der Erweiterung des Schengenraums um die Republik Polen im Jahr 2007 verlief an der Oder die kontrollierte Außengrenze der Bundesrepublik. Einwohner und Zigaretten-Touristen warteten oft eine halbe Stunde an der Brücke mit dem blauen Bogen. Die Einführung eines grenzüberschreitenden Busses der Frankfurter Städtischen Verkehrsbetriebe scheiterte lange am Protest der polnischen Taxifahrer. Heute verbindet die Linie 981 im Stundentakt die beiden Teile der in Folge des Zweiten Weltkriegs geteilten Stadt, die sich längst als Doppelstadt versteht. (mehr …)
  • Die Gedächtnislücke von Suwałki

    Polnische Urlauber kochen in einem VW-Bus auf dem Parkplatz an der Grenze zu Russland einen Kaffee. Am Beginn der Lücke von Suwałki gibt es weit und breit kein Ausflugslokal. Radfahrer unterbrechen verschwitzt ihre Tour entlang der Green-Velo-Route, die durch den Osten und Norden Polens auf wenig befahrenen Straßen über Wiesen und durch Wälder führt. Eine Tafel gibt Auskunft, dass hier bis zu ihrer Unterwerfung durch den Deutschen Orden im 13. Jahrhundert baltische Stämme siedelten. (mehr …)

  • Das Gefängnis als Bühne mit Blumengesteck. Alexander Lukaschenka inszeniert einen zynischen Monolog mit seinen Gegnern

    Wenn sich die Kräfteverhältnisse in einem Land verändern, sind die Gefängnisse wie Frühwarnzentralen, in denen zu erkennen ist, dass eine Macht fällt. Deshalb wurde der demonstrative Besuch von Alexander Lukaschenka im Minsker KGB-Gefängnis am Wochenende in Belarus besonders genau beobachtet. Mitten in der COVID-19-Pandemie schritt der autoritäre Herrscher vor laufender Kamera mit ausgestreckter Hand die Reihe seiner wichtigsten politischen Gefangenen ab. Die wenigen Fernsehbilder, die als Beweis seiner Dialogbereitschaft gedacht waren, wirkten wie ein besonders zynischer Monolog. (mehr …)
  • Kette der Solidarität. Litauen und Belarus sind in Vergangenheit und Gegenwart eng miteinander verbunden

    Von der litauischen Hauptstadt Wilna sind es 172 Kilometer bis ins belarussische Minsk. Auf drei dutzend Kilometern zur EU-Außengrenze haben vor gut einer Woche 50 000 Menschen eine Menschenkette gebildet. Sie erinnerten damit an den Hiter-Stalin-Pakt, der am 23. August 1939 geschlossen wurde und die Teilung Europas in zwei Einflussbereiche festschrieb. Für fünf Jahrzehnte unterbrach der Pakt die Eigenstaatlichkeit der nach dem Ersten Weltkrieg entstandenen Staaten im Baltikum. Der litauische Journalist Andrius Tapinas schlug vor, zur Erinnerung an die von Estland bis Litauen reichenden Baltischen Weg am 23. August 1989, 2020 eine Kette der Freiheit in Richtung Minsk zu bilden. Die ehemaligen Präsidenten Dalia Grybauskaute, Vladas Adamkus und der amtierende Präsident Gintanas Nauseda stehen am Straßenrand in Masken neben Familien mit weiß-rot-weißen Wimpeln. Alle rufen: „Für eine freie Republik Belarus!“ (mehr …)
  • Nach der Freiheit. Die polnische Netflix-Serie „1983“

    Während der polnische Präsident im November vor einem Zug mit roten Bengalfeuern und rechtsradikalen Sprechchören den Republik-Geburtstag feierte, machte Netflix überall in Warschaus Innenstadt Werbung mit den Silhouetten junger Protestierender. Schnell sprach sich herum, dass 1983 die erste polnische Eigenproduktion des amerikanische Unterhaltungskonzerns ist, die Ende November gleichzeitig auf Deutsch, Englisch, Französisch und Polnisch zugänglich wurde. Sie zeigt den vergeblichen Aufstand einer Generation von Jugendlichen, die herausfinden, dass sie von einem autoritären polnischen Staat um ihre wahre Identität betrogen wurde. Im (alternativhistorisch) fiktionalen Jahr 2003 entscheiden sie sich dafür, den Freiheits-Kampf ihrer Eltern aus den frühen 1980er Jahren wieder aufzunehmen. Doch nun sehen sie sich einem weitaus mächtigeren Staat gegenüber, in dem jeder Bürger über ein eigenes mobiles Gerät überwacht wird. (mehr …)
  • Das Modell Lukaschenko

    Die Republik Belarus nach dem Ende der Sanktionen der Europäischen Union

    Ende Februar hebt die Europäische Union nach mehreren Jahren die Sanktionen gegen das Regime von Alexander Lukaschenko auf. Der Langzeitpräsident der Republik Belarus und seine höchsten Beamten können damit endlich wieder in die Alpen in den Skiurlaub reisen. Die formelle Normalisierung der Beziehungen zur EU ermöglicht Lukaschenko aber auch politisches Kapital aus dem Verhandeln zwischen dem Westen und Osten des Kontinents zu schlagen. Alexander Lukaschenko war bereits der glänzende Sieger der Verhandlungen der Minsk-Gipfel zur Beilegung der Kampfhandlungen im Osten der Ukraine. (mehr …)