• Die Gedächtnislücke von Suwałki

    Polnische Urlauber kochen in einem VW-Bus auf dem Parkplatz an der Grenze zu Russland einen Kaffee. Am Beginn der Lücke von Suwałki gibt es weit und breit kein Ausflugslokal. Radfahrer unterbrechen verschwitzt ihre Tour entlang der Green-Velo-Route, die durch den Osten und Norden Polens auf wenig befahrenen Straßen über Wiesen und durch Wälder führt. Eine Tafel gibt Auskunft, dass hier bis zu ihrer Unterwerfung durch den Deutschen Orden im 13. Jahrhundert baltische Stämme siedelten. (mehr …)

  • Das Gefängnis als Bühne mit Blumengesteck. Alexander Lukaschenka inszeniert einen zynischen Monolog mit seinen Gegnern

    Wenn sich die Kräfteverhältnisse in einem Land verändern, sind die Gefängnisse wie Frühwarnzentralen, in denen zu erkennen ist, dass eine Macht fällt. Deshalb wurde der demonstrative Besuch von Alexander Lukaschenka im Minsker KGB-Gefängnis am Wochenende in Belarus besonders genau beobachtet. Mitten in der COVID-19-Pandemie schritt der autoritäre Herrscher vor laufender Kamera mit ausgestreckter Hand die Reihe seiner wichtigsten politischen Gefangenen ab. Die wenigen Fernsehbilder, die als Beweis seiner Dialogbereitschaft gedacht waren, wirkten wie ein besonders zynischer Monolog. (mehr …)
  • Kette der Solidarität. Litauen und Belarus sind in Vergangenheit und Gegenwart eng miteinander verbunden

    Von der litauischen Hauptstadt Wilna sind es 172 Kilometer bis ins belarussische Minsk. Auf drei dutzend Kilometern zur EU-Außengrenze haben vor gut einer Woche 50 000 Menschen eine Menschenkette gebildet. Sie erinnerten damit an den Hiter-Stalin-Pakt, der am 23. August 1939 geschlossen wurde und die Teilung Europas in zwei Einflussbereiche festschrieb. Für fünf Jahrzehnte unterbrach der Pakt die Eigenstaatlichkeit der nach dem Ersten Weltkrieg entstandenen Staaten im Baltikum. Der litauische Journalist Andrius Tapinas schlug vor, zur Erinnerung an die von Estland bis Litauen reichenden Baltischen Weg am 23. August 1989, 2020 eine Kette der Freiheit in Richtung Minsk zu bilden. Die ehemaligen Präsidenten Dalia Grybauskaute, Vladas Adamkus und der amtierende Präsident Gintanas Nauseda stehen am Straßenrand in Masken neben Familien mit weiß-rot-weißen Wimpeln. Alle rufen: „Für eine freie Republik Belarus!“ (mehr …)
  • Nach der Freiheit. Die polnische Netflix-Serie „1983“

    Während der polnische Präsident im November vor einem Zug mit roten Bengalfeuern und rechtsradikalen Sprechchören den Republik-Geburtstag feierte, machte Netflix überall in Warschaus Innenstadt Werbung mit den Silhouetten junger Protestierender. Schnell sprach sich herum, dass 1983 die erste polnische Eigenproduktion des amerikanische Unterhaltungskonzerns ist, die Ende November gleichzeitig auf Deutsch, Englisch, Französisch und Polnisch zugänglich wurde. Sie zeigt den vergeblichen Aufstand einer Generation von Jugendlichen, die herausfinden, dass sie von einem autoritären polnischen Staat um ihre wahre Identität betrogen wurde. Im (alternativhistorisch) fiktionalen Jahr 2003 entscheiden sie sich dafür, den Freiheits-Kampf ihrer Eltern aus den frühen 1980er Jahren wieder aufzunehmen. Doch nun sehen sie sich einem weitaus mächtigeren Staat gegenüber, in dem jeder Bürger über ein eigenes mobiles Gerät überwacht wird. (mehr …)
  • Das Modell Lukaschenko

    Die Republik Belarus nach dem Ende der Sanktionen der Europäischen Union

    Ende Februar hebt die Europäische Union nach mehreren Jahren die Sanktionen gegen das Regime von Alexander Lukaschenko auf. Der Langzeitpräsident der Republik Belarus und seine höchsten Beamten können damit endlich wieder in die Alpen in den Skiurlaub reisen. Die formelle Normalisierung der Beziehungen zur EU ermöglicht Lukaschenko aber auch politisches Kapital aus dem Verhandeln zwischen dem Westen und Osten des Kontinents zu schlagen. Alexander Lukaschenko war bereits der glänzende Sieger der Verhandlungen der Minsk-Gipfel zur Beilegung der Kampfhandlungen im Osten der Ukraine. (mehr …)