Christian Demand: Zwischentöne
Gestern im Deutschlandfunk, jetzt im Audio-Podcast (leider ohne Musik - hier immerhin die Playlist): Die Sendung Zwischentöne mit Christian Demand http://ondemand-mp3.dradio.de/Wir beginnen zu lesen. Ein Jahr mit den Goncourts (I)
Das Tagebuch ist unsere allabendliche Beichte: die Beichte zweier in der Freude, der Arbeit, im Schmerz unzertrennlicher Leben; zweier zwillingshafter Denkweisen, zweier Geister, die im Kontakt mit Menschen und Dingen derart gleiche, identische, ununterscheidbare Eindrücke gewinnen, daß diese Beichte als die Offenbarungen eines einzigen Ichs und eines einzigen Selbst verstanden werden kann.
(Vorwort von Edmond de Goncourt)
Vor uns liegt ein kompakter, kleiner Karton mit über sieben Kilogramm Gewicht. Es braucht beherzte Griffe, geschärfte Brieföffner oder scharfe Fingernägel, um ihn aufzubrechen; erst die Klebeschichten, dann die Kartonagen. Nacheinander heben wir den Deckel ab, den Transportkarton, dann die letzte Schutzfolie. Wir beginnen im Beibuch zu blättern, von hinten her, wie üblich. Finden wir unsere Namen in der Subskribentenliste? Finden wir sie nicht? Habe ich meinen Eintrag darin so chiffriert, dass ich nun ratlos vor der Namensliste stehe wie vor der Eingabezeile eines Passworts, das mir nicht mehr einfällt? Ist mir mein Eintrag ganz lieb so wie er ist oder doch nun eher unangenehm? In der Liste finden sich Bekannte, Kollegen, erstaunlich wenige Namhafte. Wie wären diese Figuren wohl in den Tagebüchern beschrieben worden von den humble brothers? Wir fragen uns: Setzt die Subskribentenliste nicht kongenial den Klatschcharakter der Goncourt-Tagebücher fort? Was erfahren wir über diese Dutzende einzelner Menschen, die die 7000 Seiten zweier Männer des 19. Jahrhunderts in physischer Form ihr Eigen nennen wollen? (mehr …)
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