• Affirmative Ethik. Zu Rosi Braidottis Hegel-Lecture

    Dahlem war zu Hegels Berliner Zeit kaum mehr als ein größerer Bauernhof weit außerhalb der Stadt. Erst nach seinem Tod wurde das Gebiet auf kaiserlichen Erlass zum Wissenschaftsstandort ausgebaut, einem deutschen Oxford, zumindest dem Anspruch nach. Dahlem verbindet also auf den ersten Blick nichts mit Hegel. Trotzdem lädt das „Dahlem Humanities Center“ jährlich zur „Hegel-Lecture“ ein, mittlerweile einer festen Institution im akademischen Kalender Berlins, die so prominente Intellektuelle wie André Glucksmann oder Slavoj Zizek anziehen konnte. Die Namenspatronage Hegels ist dabei inhaltlich gedeckt: Als Philosoph der Freiheit passt er tatsächlich ganz gut nach Dahlem, wo vor 75 Jahren die Freie Universität gegründet wurde, an der auch das „Dahlem Humanities Center“ beheimatet ist. (mehr …)
  • Gesundheitsschutz als Staatspflicht. Eine Erwiderung auf Jürgen Habermas

    Jürgen Habermas hat in einem kürzlich erschienenen Suhrkamp-Band mit dem Titel „Freiheit oder Leben?“ eine in zwei früheren Artikeln vorbereitete und mit anschwellender Vehemenz vorgetragene Position zur Pandemiepolitik entwickelt, die näherer Betrachtung lohnt. Die medial geführten Debatten hätten es versäumt, so Habermas’ grundlegende Beobachtung, die Zielsetzung der Pandemiepolitik herauszuarbeiten. Behelfsmäßig diente jahrelang eine grafisch anschauliche rote Linie, nämlich die Zahl der Krankenhausbetten, allzu unhinterfragt als Richtmarke für Gewährung und Entzug von Freiheiten. Diese Heuristik schließe allerdings voreilig das Recht auf Leben mit medizinischer Versorgung kurz: Unter der Hand tausche der eigentlich angestrebte Infektionsschutz mit der bloßen Zusicherung von Behandlungschancen im Notfall. (mehr …)