• Obergrenzen der Akzeptanz?

    Ein Ziel von Carolin Emckes Buch Gegen den Hass , dessen wesentliche Thesen auch in ihre Rede zur Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels am 23. Oktober eingingen, ist es, akademisch lang etabliertes Wissen – Seyla Benhabibs Sammelband Democracy and Difference [2. Seyla Benhabib, Democracy and Difference. Contesting the Boundaries of the Political. Princeton, NJ 1996.] ist zwanzig Jahre alt – in die öffentliche Debatte zu tragen, es im Alltag verankert zu sehen. Buch und Rede geben derzeit im Feuilleton nicht nur dazu Anlass, Emckes Denken zu reflektieren. Stattdessen tobt wieder einmal der Differenzkrieg. Emcke, die die Macht von Sprache und Präzision bei der eigenen Wortwahl zu einem Kern ihres Arbeitens gemacht hat, trifft nun jene Undifferenziertheit, gegen die sie anschreibt. (mehr …)
  • #Siggenthesen

    Siggener Thesen zum wissenschaftlichen Publizieren im digitalen Zeitalter

    Das digitale Publizieren ermöglicht bessere Arbeits- und Erkenntnisprozesse in der Wissenschaft. Diese Potenziale werden aus strukturellen Gründen gegenwärtig noch viel zu sehr blockiert. Wir möchten, dass sich das ändert, und stellen deswegen die folgenden Thesen zur Diskussion (Hinweise zur Mitunterzeichnung am Ende): 1 Digitales Publizieren braucht verlässliche Strukturen statt befristeter Projekte. #Siggenthesen #1 Innovationen im Bereich digitaler Publikationsformate in der Wissenschaft, die in Pilot- und Inselprojekten entwickelt werden, bedürfen einer gesicherten Überführung in dauerhaft angelegte, institutionen- und disziplinenübergreifende Infrastrukturen, um im Sinne der Wissenschaftsgemeinschaft nachhaltige und wettbewerbsfähige Angebote liefern zu können. Wir rufen sowohl Fördereinrichtungen und politische Instanzen als auch Verlage und Bibliotheken auf, sich dieser Verantwortung zu stellen und entsprechende Förder- und Integrationskonzepte im bestehenden Wissenschaftsbetrieb konkret und umgehend umzusetzen. Eine systemische Veränderung hin zum digitalen Publizieren kann nur durch ein verlässliches Angebot exzellenter Dienstleistungen erreicht werden. (mehr …)
  • What’s your poison?

    Die Kaputtheit des Literaturbetriebs wird immer wieder gern behauptet. Wie es zu derartigen Verformungen kommt, erfährt man aber seltener. Ein paar dieser Prozesse ließen sich letzten Freitag im Literarischen Quartett beobachten. Ich weiß nicht, inwiefern die Gäste bereits als damaged goods in die Aufzeichnung gingen. Ich wurde aber den Eindruck nicht los, dass sie die Sendung auf jeden Fall zerstörter verließen. Eingeladen war diesmal der Schriftsteller Thomas Glavinic, bei dem man nie genau wusste, ob er nun seine Aufgeregtheit überspielt, den Zuschauern das Privileg erteilt, einen Romancier beim Verfertigen seiner sehr unfertigen Gedanken beobachten zu können oder einfach nur ein kompletter Arsch ist. Das ist natürlich keine Kategorie des Literarischen, aber auf die komme ich später nochmal zurück. Männerproblem: Die Unsicherheit wird durch aggressive Selbstsicherheit überspielt. Die gelegentlichen Blickwechsel zwischen Biller und Glavinic signalisierten diesbezüglich testikuläre Übereinstimmung. Biller gab dann auch– so weit, so bekannt – von Anfang an den Ton an. Den beiden ersten Büchern sprach er die Buchpreiswürdigkeit ab. Sowohl Thomas Melles Die Welt im Rücken, ein literarischer Bericht über die bipolare Störung des Autors, als auch André Kubiczeks Skizze eines Sommers, das Jugenderinnerungen an die und in der DDR thematisiert, seien auf sprachlicher Ebene absolute Katastrophen. Bei Melle fehle zudem der dramatische Spannungsbogen. Dass Ijoma Mangold Melle in der Zeit auf eine Stufe mit Rainald Goetz stellte, konnte Biller natürlich nicht gelten lassen. Der Autor von Irre wurde gleich zweimal von ihm ins Spiel gebracht, stets zum Nachteil der in der Sendung diskutierten Autoren. Bei Kubiczek komme erschwerend eine heute nicht mehr zu rechtfertigende verklärende Sicht auf das SED-Regime hinzu. Genauer: Das Regime kommt im Buch kaum vor, stattdessen schaltet und waltet eine überzuckerte Sehnsucht nach dem Leben damals, das doch vor allem in Ordnung war. Beide Bücher hätten niemals veröffentlicht werden sollen. Volker Weidermann schien angesichts dieser Tiraden zunächst wie in einem Schockzustand. Er war sichtlich bemüht, seinen Affekthaushalt zu kontrollieren, aber darüber drohte ihm kurzzeitig die Kontrolle über die Sendung zu entgleiten. Nein, so stimmt das auch wieder nicht. Vielleicht war es sogar einer seiner besten Aufritte. Als Glavinic jämmerlich daran scheitert, den Inhalt von John Burnsides Wie alle anderen kurz anzureißen, geschweige denn zusammenzufassen, springt Weidermann ein und löst die Aufgabe souverän. Zum allerersten Mal wehrt er sich zudem so erfolgreich wie vehement gegen Billers ständige Unterbrechungen. Irgendwann verbietet er ihm schlicht das Wort. Schließlich der eigentliche Glanzpunkt. Literaturkritik im Fernsehen ist eine Frage des Erzählens und der Pointen. Darin ist Biller den anderen Teilnehmern haushoch überlegen. Alles andere sind Protokolle über die eigenen Gefühlzustände beim Lesen oder deplatzierte Anwandlungen aus dem Germanistikseminar. Konfrontiert mit Billers Tendenz, nicht nur ein Buch, sondern stets auch die Psyche des Autors zu verreißen, sah sich Weidermann zu ein paar Klarstellungen gezwungen. Eine derart hämische Poppsychologie taugt sicher für ein paar provokante Formulierungen, aber den Texten, selbst den schlechten, wird sie nicht gerecht. Doch plötzlich schlug es bei Weidermann um, nach der Zurückweisung von Billers Gestus schließt er sich dessen Urteil in der Sache an: Kubiczek habe ein miserables Buch geschrieben. Ein unerwartetes Überraschungsmoment. Biller lächelt zufrieden. Es fällt dem Literarischen Quartett unendlich schwer, einen eingeschlagenen Diskussionspfad wieder zu verlassen, was sich schon in der vorangegangen Sendung zeigte, als niemand auf die Ablehnung, die Elena Ferrantes Meine geniale Freundin entgegenschlug, etwas Kohärentes zu erwidern wusste. Ähnlich erging es nun Melles Roman. Keiner der Teilnehmer ging auf eine wichtige Besonderheit des Buches ein. Der Erzähler kämpft schreibend darum, sich seine Erinnerungen zurückzuholen, sie sich zu vergegenwärtigen. Melle selbst betont diesen Aspekt in einem Interview, das der Tagesspiegel heute veröffentlichte: „Es ist doch so mit der Erinnerung: Sie kommt allmählich, sie ist selektiv, sie hat fiktive Anteile, auch bei Gesunden, um die jetzt mal so zu nennen. Bei mir als Manisch-Depressivem liegt der Fall nochmal anders, ich glaube, ich bin da in so einer Mittelposition. Ein Chefarzt in der Psychiatrie meinte zu mir, Maniker würden sich an alles erinnern. Eine Kollegin von ihm wiederum, die selbst an der Krankheit leidet, sagt, die Manie sei eine gnädige Krankheit, die kaum Erinnerungen produziere.“ Melles Literarizität beginnt dort, wo Pathologie und (lesen ...)
  • Hinweis auf die Tagung „Konzepte wissenschaftlichen Publizierens im digitalen Zeitalter“ vom 10.-16. Oktober 2016

    Kurzer Hinweis auf Merkur-Dinge abseits des täglichen Geschehens:

    Vom 10. - 16. Oktober 2016 findet im Seminarzentrum Gut Siggen eine Tagung zum Thema "Konzepte wissenschaftlichen Publizierens im digitalen Zeitalter" statt, organisiert von Klaus Mickus (content-press), Dr. Constanze Baum (Leitende Redakteurin der Zeitschrift für Digitale Geisteswissenschaften) und Dr. Thomas Ernst (Universität Duisburg-Essen) in Kooperation mit der Alfred Toepfer Stiftung und dem Merkur(mehr …)

  • Merkur-Gespräche 6: Die Arbeit der Verlage

    Was ist der Beitrag der Verlage zum Zustandekommen von Texten und Büchern? Diese Frage wurde nach dem VG-Wort-Urteil des BGH kontrovers diskutiert, das die seit Jahrzehnten geübte Praxis der Beteiligung der Verlage an der Ausschüttung an die Urheber kippte. Der Protest insbesondere bei Vertretern der Publikumsverlage war groß. Anders gelagert ist die Problematik bei Wissenschaftsverlagen. Geisteswissenschaftliche Autoren beklagen seit längerem mangelnde Unterstützung. In der Medizin und den Naturwissenschaften nutzen Verlage wie Elsevier oder Wiley ihre Marktdominanz und erzielen damit enorme Renditen. Im Merkur-Gespräch „Die Arbeit der Verlage“ diskutieren die Verlegerin Christiane Frohmann (Frohmann Verlag), die Literaturagentin und Ex-Verlegerin Elisabeth Ruge (Berlin Verlag, Hanser Berlin), der Experte für Verlagsmanagement Alexander Grossmann (HTWK Leipzig) und der Open-Access-Experte Klaus Mickus (content-press). Es kommentiert und moderiert Julika Griem, Professorin für Anglistik an der Goethe-Universität Frankfurt am Main. Das sechste Merkur-Gespräch wird in Kooperation mit dem Promotionskolleg "Schreibszene Frankfurt" der Goethe-Universität Frankfurt am Main organisiert. (mehr …)