Kritische Anmerkungen zum herrschenden „N-Wort“-Diskurs

Vorbemerkung der Redaktion: Die Autorin und der Autor hatten den Text konsequent mit Doppelpunkt als Gender-Sonderzeichen verfasst. Das entspricht nicht dem Merkur-House-Style und ist entsprechend geändert, gelegentlich in Doppelformen aufgelöst, öfter auch nicht.

 

Einleitung[1]

Eine kritische Auseinandersetzung mit dem Thema Rassismus im deutschsprachigen Raum ist heute besonders wichtig, nicht zuletzt, weil vor allem der Antiziganismus, Antijudaismus/Antisemitismus sowie der antimuslimische und antischwarze Rassismus Hochkonjunktur haben. Das Ausmaß des Letzteren wurde jüngst u.a. in dem Bericht „Being Black in the EU“ (2023) der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte ermittelt. Der Bericht hält fest, dass der Rassismus gegenüber Schwarzen in den letzten fünf Jahren unverkennbar zugenommen hat. Die Erhebungen ergaben darüber hinaus, dass antischwarzer Rassismus – innerhalb der insgesamt 13 untersuchten EU-Länder – in Deutschland am stärksten verbreitet ist. Auch die Mehrheit der in Deutschland befragten Schwarzen erklärten im 2020 erhobenen Afrozensus, dass sie antischwarzen Rassismus erleben, davon 42,9 Prozent sogar „oft“. Welche Bedeutung aber spielt Sprache oder ihr Gebrauch bei der Produktion und Reproduktion von rassistischer Diskriminierung? Eine Frage, die in diesem Zusammenhang immer häufiger aufgeworfen wird, lautet, ob „dieses oder jenes“ überhaupt noch gesagt werden könne, ohne dass man als Rassist bezeichnet wird. Ebenso scheint Ungewissheit darüber zu herrschen, was genau rassistisch ist und wer darüber entscheidet.

Die Problematik des (Un)Sagbaren ist in gewisser Weise ein Spiegel der in den letzten Jahrzehnten zunehmenden Sensibilisierung gegenüber als diskriminierend empfundenen Ausdrücken. Sie kann auch als Anzeichen des gegenwärtigen, besonders von rechts verschrienen „woken“ Zeitgeists betrachtet werden. Die in den letzten drei Dekaden anwachsende Sensibilisierung gegenüber diskriminierenden Sprachhandlungen scheint einerseits zu einer begrüßenswerten Abnahme offen rassistischer Sprechakte sowie zu einem zunehmend inklusiver werdenden Sprachgebrauch geführt zu haben. Zugleich hat diese Entwicklung dazu geführt, dass insbesondere in linken und liberalen Milieus eine stetig wachsende Einigkeit darüber zu herrschen scheint, was gesagt werden „darf“ und was nicht. Exemplarisch veranschaulicht wird diese erhöhte Sensibilität u.a. durch die 2021 erfolgte Aufnahme des  Neologismus „N-Wort“ in den Online-Duden.[2] Während die Verwendung des ausgeschriebenen Ausdrucks N.1 in Deutschland seit den späten 1960er Jahren in diversen Publikationen verstärkt abgenommen hat und sich in den frühen 2000er Jahren auf dem  Tiefpunkt der letzten 250 Jahre befand, hat sich seit 2016 die schriftliche Verwendung der Bezeichnung „N-Wort“ in Zeitungen schlagartig erhöht und erfuhr 2023 ihren bisherigen Höhepunkt. Dies weckt zumindest den Eindruck, dass der Ausdruck „N-Wort“ in den letzten Jahren verstärkt eine Ersatzfunktion erfüllt hat.

Besonders als Folge medial vermittelter Sensibilisierungsprozesse erhitzen sich regelmäßig die Gemüter über Menschen, die als diskriminierend geltende Ausdrucksweisen reproduzieren oder einst verwendet haben. Darüber wird die Absicht sowie der geschichtliche, räumliche und inhaltliche Kontext, in dem bestimmte Wörter gebraucht wurden und werden, gegenüber den individuellen oder vermeintlich kollektiven Befindlichkeiten der Betroffenen oft als zweitrangig eingestuft oder vernachlässigt. Auch die implizit zugrunde liegende sprachtheoretische Perspektive auf Funktionsweise und Wirkmacht von Wörtern und Sprachhandlungen spielt eine zentrale Rolle für die jeweilige Betrachtungsweise und Positionierung. Hinzu kommen das Ringen um Deutungshoheit und der Dissens um die Grenzen der Rede- und Ausdrucksfreiheit.

Warum wollen wir aber ausgerechnet jetzt in der Debatte über das (Nicht)Sagbare intervenieren? Jetzt, wo sich ein nicht unerheblicher Teil des linken/liberalen akademischen, literarischen und vor allem aktivistischen und journalistischen Mainstream weitestgehend einig zu sein scheint, dass bestimmte Wörter und Begriffe unter keinen Umständen reproduziert werden sollten? Anstoß für eine intensivere Auseinandersetzung mit diesem Thema war, dass uns im Vorfeld einer wissenschaftlichen Tagung zum Thema Rassismus und Aufklärung in Deutschland eine E-Mail der Veranstalter erreichte. Darin äußerten sie das Anliegen, dass im Rahmen der Konferenz die Vortragenden, zu denen auch wir zählten, auf die Reproduktion „rassistischer Sprache“, wie die Wörter N.1/? und M. möglichst verzichten sollten, zum Beispiel beim Zitieren historischer Texte. Zur Begründung hieß es u.a., dass Wörter ihre Geschichte wie Sedimente weiter mit sich trügen und jeder neue Gebrauch sie wieder aktualisiere. Im Zuge dessen sind einige der folgenden Überlegungen als Vorbemerkung für unseren Vortrag entstanden. Wir möchten damit zu einer kritischen Auseinandersetzung und zum Diskutieren einladen.

Um gleich am Anfang eventuelle Missverständnisse aus dem Weg zu räumen, möchten wir an dieser Stelle betonen, dass wir Wert auf möglichst rassismus- und diskriminierungsfreie sowie geschlechtergerechte Ausdrucksformen legen, einschließlich der Rücksichtnahme auf die von Betroffenen gewählten Selbstbezeichnungen. Wir verstehen eine solche Rücksichtnahme als Teil des Emanzipationsprozesses von Betroffenen. Wir entschieden uns im Rahmen jener Tagung dennoch bewusst dazu, die in den historischen Quellen vorkommenden – und aus heutiger Sicht als rassistisch geltenden – Fremdbezeichnungen für Schwarze beizubehalten. Die Gründe hierfür werden im Folgenden erläutert. Damit wir zumindest den Versuch unternehmen, auch diejenigen Leserinnen und Leser zu erreichen, die die ungebrochene Wiedergabe von Wörtern wie N.? oder M. nicht hinnehmen, verzichten wir hier weitestgehend darauf, diese Wörter außerhalb von Zitaten und Eigenbezeichnungen auszuschreiben. Doch bevor wir zu unserer Begründung kommen, vorher noch einige Worte über die Aktualität, Relevanz und Brisanz dieses Themas.

 

Gesellschaftspolitische Bedeutung des „N-Wort“-Diskurses

Erinnern wir uns zunächst einmal an die afrodeutsche Lehrerin Jasmin Blunt, die Anfang 2023 für mediale Aufmerksamkeit sorgte. Grund war, dass sich eine Kontroverse entzündete, nachdem das Bundesland Baden-Württemberg entschieden hatte, ab 2024 den Roman Tauben im Gras (1951) von Wolfgang Koeppen für die Abiturprüfung an beruflichen Gymnasien als Teil des Pflichtlektürekanons einzuführen. Dieses Werk enthält für die damalige Zeit gängige, heute aber eindeutig als rassistisch bewertete Fremdbezeichnungen für Schwarze. Eine Petition mit über 12.000 Unterzeichnerinnen und Unterzeichnern bewegte das Kultusministerium Baden-Württemberg, sich um einen Kompromissvorschlag zu bemühen. Demnach sollen Lehrkräfte ab 2025/26 nun selbst entscheiden können, ob sie das Buch behandeln wollen. Oder rufen wir uns den Bundestagswahlkampf 2021 ins Gedächtnis, als die damalige Kanzlerkandidatin der Grünen, Annalena Baerbock, für das Aussprechen des Wortes N.1 von vielen Seiten scharfe Kritik erntete, wenngleich sie es verwendete, um ihrer Entrüstung über ein schulisches Arbeitsblatt Ausdruck zu verleihen. Daraufhin entschuldigte sie sich öffentlich, den Ausdruck N.1 ausgesprochen zu haben: „Denn ich weiß ja um den rassistischen Ursprung dieses Wortes und die Verletzungen, die Schwarze Menschen unter anderem durch ihn [sic] erfahren.“

2019 startete die Afrodeutsche Charlotte Nzimiro, als Antwort auf die Einstufung des Landesverfassungsgerichts Mecklenburg-Vorpommerns, dass die Verwendung des Ausdrucks N.1 durch den AfD-Landtagsfraktionschef Nikolaus Kramer im Schweriner Landtag rechtens gewesen sei, die Petition „Rechtliche Anerkennung, dass der Begriff „Neger“ rassistisch ist!“. Diese haben mittlerweile fast 200.000 Menschen unterschrieben. Auch die 2019 von politisch aktiven Schwarzen und Kommunalpolitikern in Köln und Umgebung gegründete Initiative „N-Wort Stoppen“ setzt sich mit zunehmendem Erfolg auf lokaler sowie bundesweiter Ebene für die Ächtung des Wortes N.1/? ein. Die Proteste infolge der Ermordung des Afroamerikaners George Floyd in Minneapolis 2020 gaben der Black-Lives-Matter-Bewegung eine bisher noch nicht dagewesene globale Popularität, die auch den deutschen Diskurs über antischwarzen Rassismus mitprägte. Seit 2020 stuften bereits mehrere deutsche Städte das Wort N.1 als rassistisch ein.[3]

Die Debatte in den USA ist viel stärker aufgeheizt als in Deutschland und wird sowohl von Konservativen als auch von den sogenannten Progressiven befeuert. Seit 2020 forcieren konservative Abgeordnete (besonders Christopher Rufo) in republikanisch regierten US-Bundesstaaten mit zunehmendem Erfolg das Unterrichtsverbot von Critical Race Theory oder Gender Studies, besonders an Schulen, aber auch an einigen Hochschulen. Dort stellt dies momentan die größte Gefahr für die akademische Freiheit dar. Die AfD verfolgt eine ähnliche Agenda für Deutschland. Andererseits wurden in den USA in den letzten Jahren mehrere Menschen gerügt, unter Beobachtung gestellt oder entweder ganz oder vorübergehend suspendiert, nachdem sie den Ausdruck N.2 reproduziert hatten – darunter Lehrkräfte, Dozierende, Professoren sowie Journalisten, die teilweise lediglich Zitate wiedergaben.[4] Die Lage an US-Bildungseinrichtungen ist zwar anders als an deutschen Hochschulen. Dennoch: Auch an deutschen Universitäten vermeiden es mittlerweile einige – besonders weiße Dozierende – mit Texten zu arbeiten, in denen „N-Wörter“ vorkommen.[5] Denn wenn sie im Unterricht vorgelesen werden, kommt es immer häufiger zu lautstarken Beschwerden von Studierenden – selbst wenn Beiträge von antikolonialen Autoren und Antirassisten zitiert werden (z.B. Frantz Fanon und Malcolm X).[6] Diese Entwicklung scheint während des letzten Jahrzehnts ein zunehmender Trend geworden zu sein. Vor diesem Hintergrund kommen wir nun zu den Gründen, warum wir eine kritische und reflektierte Wiedergabe von „N-Wörtern“ für unproblematisch und in gewissen Zusammenhängen sogar für notwendig und sinnvoll erachten.

 

Historische Genauigkeit, akademische Freiheit und geschichtliche Aufklärung

Uns geht es in unserer wissenschaftlichen Arbeit u.a. darum, die historischen Äußerungen so akkurat wie möglich in ihrem spezifischen Kontext wiederzugeben.[7] Dies ist unseres Erachtens eine notwendige Voraussetzung gewissenhaften wissenschaftlichen Forschens. Warum aber finden wir es vertretbar, als diskriminierend empfundene und bei Betroffenen starke Emotionen auslösende Ausdrücke und Äußerungen wiederzugeben? Macht es einen Unterschied, wer sie reproduziert und in welchem Kontext es geschieht? Und sind die Reproduktion und das Zitieren von Wörtern wirklich vergleichbar mit der Verwendung einer rassistisch intendierten Fremdbezeichnung für Schwarze? Um diese und weitere Fragen wird es im Folgenden gehen.

Dies führt uns unmittelbar zum Thema der akademischen Freiheit. Wir sind der Meinung, dass besonders in einem wissenschaftlichen Kontext die verfassungs- und menschenrechtlich verbriefte akademische Freiheit sowie die Möglichkeit zur Reflexion und Kritik ein hohes Gut darstellen. Dazu zählen auch die Rede- und Ausdrucksfreiheit, einschließlich der Reproduktion von „N-Wörtern“. Sie sollte nur in Ausnahmen wie beim Straftatbestand der Volksverhetzung oder Beleidigung aufgehoben werden können.[8] Was ein Verzicht oder gar Verbot, wie es zum Beispiel die Petition von Nzimiro fordert, einzuschränken droht, sind neben der Verengung der akademischen Freiheit insbesondere die historische Aufarbeitung, differenzierte Darstellung und Demaskierung unterschiedlicher Rassismen.

Die Problematisierung der akademischen Freiheit kann grundsätzlich geboten sein, zum Beispiel im Hinblick auf bestimmte Formen der Eugenik und eindeutig rassistisch motivierter „Rassenlehre“. (Selbst)Zensur jedoch, in diesem konkreten Fall vornehmlich mit Rücksicht auf individuelle Empfindungen und in Anpassung an bestimmte sprachtheoretische Haltungen, trägt besonders innerhalb einer wissenschaftlichen Auseinandersetzung in der Regel nicht dazu bei, die Merkmale, Entwicklungslinien und Ursachen unterschiedlicher Rassismen zu beleuchten und zu verstehen. Der Verzicht auf „N-Wörter“ erschwert historische Aufklärungsprozesse und eine differenzierte Analyse. Denn die Verwendungsweise bestimmter Wörter und Begriffe zu analysieren kann dazu beitragen, die Nuancierungen möglicher Diskriminierung und räumlich-zeitliche Eigentümlichkeiten der jeweiligen Wort- und Begriffsverwendung verständlicher zu machen sowie besser einordnen zu können. Für ein möglichst akkurates Geschichtsverständnis ist auch eine wortwörtliche Wiedergabe relevant. Denn es bleibt uneindeutig, um welchen Ausdruck es sich handelt, wenn zum Beispiel „N-Wörter“ – von denen auch in Deutschland zwischen dem 17. und 20. Jahrhundert etwa ein Dutzend unterschiedlicher Varianten benutzt wurden[9] – ersetzt oder dermaßen abgekürzt werden, dass sie nicht mehr voneinander zu unterscheiden sind. Dies kann bei der Rezeption zu Missverständnissen führen, eine differenzierte Analyse behindern oder schlicht verunmöglichen. Bei sogenannten X-Wörtern wie dem „I-“, „K-“, „N-“ „M-“ oder „Z-Wort“ kommt noch hinzu, dass viele nicht wissen, was diese Ausdrücke bedeuten, da sprachpolitische Kodes und Gebote ein bestimmtes Vorwissen erfordern, das vorwiegend in akademischen und aktivistischen Kreisen verbreitet ist.

 

Die Vermengung verschiedener historischer Bedeutungsebenen

Durch die Tabuisierung von Vokabeln wird entweder das heutige Verständnis ihres Sinngehalts anachronistisch in die Vergangenheit projiziert oder die gegenwärtige Bedeutungszuschreibung als Anlass genommen, ihre Wiedergabe in historischen oder anderen Kontexten zu verwerfen. In beiden Fällen wird also die bloße Erwähnung als beleidigend und rücksichtslos empfunden und deshalb geächtet. So wird die Möglichkeit, Wörter und Begriffe in ihrem jeweiligen Kontext und ihrer spezifischen Zeitlichkeit einzuordnen, entweder erschwert oder ganz verhindert. Der rassismuskritische deutsche Kanon ist zum Teil intensiv mit der ahistorischen Essentialisierung von Begriffen beschäftigt – ganz so, als ob Wörter und Begriffe immer eine stabile oder inhärente Bedeutung hätten. Um nur ein Gegenbeispiel zu nennen: Der englische Begriff „queer“ wandelte sich von einem pejorativen Adjektiv hin zu einer empowernden Selbstbezeichnung nichtheterosexueller sowie nichtbinärer Personen im späten 20. und 21. Jahrhundert. Hätten Wörter und Begriffe immerzu eine gleichbleibende, ihnen innewohnende Bedeutung, wie ließe sich dann ein solcher Bedeutungswandel erklären? Viele Schwarze, größtenteils in den USA und vor allem Aktivisten, Autoren, Künstler, Musiker und Personen des öffentlichen Lebens widersetzten sich ohnehin besonders seit den 1960er Jahren der Zementierung von negativ fixierten Wort- und Begriffsbedeutungen, wenn sie Ausdrücke wie „Black“ („Schwarz“) oder auch „N-Wörter“ positiv besetzten bzw. innerhalb der eigenen Communitys umdeuteten. Vor den 1960er Jahren waren die Ausdrücke „Black“, „Schwarz“ und „Schwarze/r“ ähnlich ambivalent konnotiert wie einige „N-Wörter“ und wurden nicht selten abwertend gebraucht.

Die folgenden Zitate führen beispielhaft vor Augen, wie einerseits aus gegenwärtiger Perspektive unproblematische Gruppenbezeichnungen rassistische Inhalte transportieren können, während aus heutiger Sicht rassistische Fremdbezeichnungen durchaus nichtdiskriminierende oder emanzipatorische Absichten zum Ausdruck bringen können: Zu Beginn des 18. Jahrhunderts schrieb der Universalgelehrte Gottfried Wilhelm Leibniz: „Ein Neger hat eine vernünftige Seele. Wer eine vernünftige Seele hat, ist ein Mensch. Folglich ist der Neger ein Mensch.“ Dabei ist zu bedenken, dass er dies zu einer Zeit schrieb, in der europäische Gelehrte bald schon zunehmend behaupteten, dass Schwarze den Affen ähnlicher seien als den Europäern. Vor diesem Hintergrund ist seine Aussage also als weit weniger trivial zu bewerten als aus heutiger Perspektive. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts erklärte der Philosoph Immanuel Kant u.a.: „[A]llein kurz um, dieser Kerl war vom Kopf bis auf die Füße ganz schwarz, ein deutlicher Beweiß, daß das was er sagte, dumm war“, was eine eindeutig rassistische Aussage darstellt, auch wenn der Ausdruck N.1 hier nicht fällt. Im 19. Jahrhundert wiederum kritisierte der Philosoph und politische Ökonom Karl Marx, dass „der gewöhnliche englische Arbeiter“ zum „Werkzeug seiner Aristokraten und Kapitalisten“ avanciere, da er sich zum „irischen Arbeiter“ ungefähr so verhalte wie die armen Weißen zu den „niggers“ in den ehemaligen Sklavenstaaten der USA. Mit anderen Worten: Englische Arbeiter ließen sich von den irischen Arbeitern abspalten, anstatt gemeinsam gegen die Eliten vorzugehen, ähnlich wie arme, weiße US-Amerikanerinnen und US-Amerikaner gegenüber den Versklavten in den USA. Um mit dem häufig vertretenen Missverständnis seiner Zeit aufzuräumen, dass Schwarze automatisch Versklavte seien, erklärte Marx außerdem: „Ein Neger ist ein Neger. In bestimmten Verhältnissen wird er erst zum Sklaven.“

Weder Leibniz noch Marx sind von Rassismusvorwürfen verschont geblieben. Doch unabhängig davon, was diese Autoren an anderer Stelle geschrieben haben, zeigen diese Beispiele, dass heute als politisch korrekt geltende Bezeichnungen sowohl historisch als auch gegenwärtig durchaus für rassistische Zwecke gebraucht wurden und werden sowie umgekehrt. Aber ungeachtet dessen, welche Ausdrücke verwendet wurden, lebten diese Gelehrten in Zeiten, in denen sich der antischwarze Rassismus immer stärker Bahn brach. Spätestens seit Mitte des 18. Jahrhunderts können wir für das Alte (deutsche) Reich von immer virulenter werdenden rassistischen Strukturen ausgehen, welche die Gesellschaft und Institutionen zunehmend durchdrangen. Der starre Fokus auf sprachliche Ausdrücke wie zum Beispiel „N-Wörter“ kann also auch verschleiernd wirken, da er unter Umständen von den wesentlichen Zusammenhängen ablenken kann, die den Rassismus reproduzieren.

Es erscheint uns hier angebracht, zu bekräftigen, dass wir zwei entgegengesetzten, aber verbreiteten Auffassungen widersprechen: Sowohl der Behauptung der Literaturwissenschaftlerin Susan Arndt (eine der einflussreichsten Rassismusforscherinnen Deutschlands), die Wörter N.1 und M. seien für alle Epochen als eindeutig rassistisch zu bewerten, als auch jener der Historiker Götz Aly und Ulrich van der Heyden, das Wort M. sei immer neutral (wertfrei) gewesen und sei es auch heute noch. Die Bezeichnung M. hatte im deutschsprachigen Raum im 13. Jahrhundert zunächst zwar noch keine überwiegend negativen Konnotationen (siehe z.B. Wolfram von Eschenbachs Parzival oder die Darstellung des heiligen Mauritius im Dom St. Mauritius, Magdeburg). Allerdings nahm die Ambivalenz im Gebrauch des Wortes M. im 17. Jahrhundert deutlich zu. Kurz gesagt, der Gebrauch veränderte sich je nach Zeitraum, Ort und Zusammenhang. Halten wir also fest: Die Ambiguitäten, die sowohl den Ausdrücken N.1 als auch M. teilweise anhafteten, waren nicht immer rassistischer Natur. Nicht selten wurden diese Wörter auch in neutraler oder gar emanzipatorischer Absicht gebraucht, wie die obigen Sätze von Leibniz und Marx illustrieren. Dennoch ist davon auszugehen, dass ihr Gebrauch seit dem 16. Jahrhundert in zunehmend diskriminierenden Kontexten stattfand, was eine fortschreitend rassistischer strukturierte Welt reflektierte.

Für eine differenzierte Auseinandersetzung ist es daher entscheidend, sich zu vergegenwärtigen, dass Wörter wegen ihrer Verwendungsweise, aufgrund sozioökonomischer, rechtlicher und politischer Diskriminierung und Kategorisierung sowie infolge gesellschaftlicher Verhandlungs- und Konsensbildungsprozesse zu rassistisch aufgeladenen Begriffen werden. Anhand des in Westafrika geborenen und in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts im Alten (deutschen) Reich sozialisierten afrodeutschen Aufklärungsphilosophen Anton Wilhelm Amo lässt sich exemplarisch eine gewisse Ambiguität des damals gängigen Wortes M. veranschaulichen. Während er von seinen Lehrern und Kollegen aufgrund seiner Leistungen gepriesen und zugleich mit dem Wort M. bezeichnet wurde, entschied er sich in seinen überlieferten Schriften gegen den Ausdruck M. als Selbstbezeichnung. Stattdessen nutzte er die Herkunftsbezeichnungen aus „Axim“, „Guinea“, „Aethiops“ oder „(natione) Afer“.[10] Er unterstrich dadurch dezidiert seine westafrikanische Herkunft. Warum er sich gegen die Verwendung des Wortes M. als Selbstbezeichnung entschied, bleibt vorerst noch eine offene Frage. Empfand er diesen Begriff als zu pauschalisierend, da er auf die unterschiedlichsten Gruppen Nichtweißer angewendet wurde oder fand er den Ausdruck M. aus anderen Gründen unangemessen? Um voreilige Schlüsse zu vermeiden, bedarf es jedenfalls ergebnisoffener, durchaus auch quantitativer Studien zur Begriffsgeschichte und historischen Semantik der unterschiedlichen und heute als rassistisch empfundenen Wörter und performativen Äußerungen. Nur so lassen sich die mehr oder weniger starken Ambivalenzen und möglichen Widersprüchlichkeiten herausarbeiten.

Wie der Philosoph Ludwig Wittgenstein es formulierte: „Die Bedeutung eines Wortes ist sein Gebrauch in der Sprache.“ Diesem Verständnis folgend, sind es also die Sprecherinnen und Sprecher, die durch ihre in spezifische Kontexte eingebetteten Sprechakte diskriminieren und nicht die Sprache als solche. Mit anderen Worten: Die Bedeutung hängt davon ab, wer wann was warum wo und wie sagt. Daher stehen wir auch der Annahme skeptisch gegenüber, dass die bloße Wiedergabe und Aussprache bestimmter Wörter bereits rassistisch ist. Dennoch möchten wir hier nochmals betonen, dass wir einen klaren Unterschied machen zwischen der Reproduktion von Wörtern auf der einen und der aktuellen Verwendung einer Fremdbezeichnung, die von den Betroffenen abgelehnt wird, auf der anderen Seite.[11]

Die Initiative Schwarzer Menschen in Deutschland (ISD) sowie die Mehrheit afrodeutscher Personen des öffentlichen Lebens, vielleicht mit Ausnahme des nicht gerade für seine Rassismussensibilität bekannten Journalisten und Autors Ijoma Mangold, vertreten hingegen die Ansicht, dass die Wiedergabe des Ausdrucks N.1/? grundsätzlich rassistisch sei oder zumindest Rassismus reproduziere. Um sich sprachlich nicht des Rassismus schuldig zu machen, heißt es, sollten „N-Wörter“ unter keinen Umständen wiedergegeben oder wenigstens weitestgehend vermieden werden. Allerdings ist oft nicht klar, wie weit das geforderte Sprachgebot eigentlich reicht. Ist nur die mündliche Reproduktion oder sind auch historische Texte damit gemeint? Geht es hier um Kinderbücher oder um alle möglichen literarischen Genres?[12] Ähnlich wird es auch zunehmend in Bezug auf den Ausdruck M. gesehen.

Das Wort N.1/? wird von vielen als Ausdruck epistemischer Gewalt verstanden, hinter dem – wie Daniel Gyamerah, der zum Vorstand des Each One Teach One (EOTO) e.V. in Berlin gehört, es formuliert – 400 Jahre Versklavung und die globale Dehumanisierung von Schwarzen stehe. Obwohl wir grundsätzlich das Anliegen diskriminierungskritischer afrodeutscher Communitys teilen, den Rassismus schwächen und bekämpfen zu wollen, spricht vieles dafür, auf semantischer Ebene stärker zu differenzieren, um unter anderem die Komplexitäten, Mehrdeutigkeiten und den historischen Sinneswandel unterschiedlicher „N-Wörter“ im Verlauf der Geschichte besser verstehen und analysieren zu können. Nicht selten wird in diesem Zusammenhang auch eine Identitätspolitik geradezu befeuernde Äußerung gemacht, dass nämlich ein Aussprechen dieser Wörter – ob im Zitat oder nicht – nur akzeptabel sei, wenn es durch Schwarze geschehe. Es verwundert nicht, dass nichtweiße Menschen, die ohnehin strukturell benachteiligt sind, zumindest die Diskurshoheit darüber erlangen möchten, zu bestimmen, wer welche sie designierenden Bezeichnungen ausschreiben oder aussprechen darf, da sie dies als Teil ihrer Selbstermächtigung betrachten. Eine Unterscheidung zwischen Fremd- und Selbstbezeichnung ist unseres Erachtens in gewissen Kontexten unproblematisch, zum Beispiel wenn Schwarze sich untereinander mit „N-Wörtern“ ansprechen, aber diese Bezeichnungen von Nichtschwarzen ablehnen. Diese Tatsache ändert allerdings nichts an der potentiell geschichtsverschleiernden, de-kontextualisierenden und inkonsequenten Stoßrichtung, bei der Wiedergabe von „N-Wörtern“ – ganz grundsätzlich und vollkommen unabhängig vom Kontext – mit zweierlei Maß zu messen.

 

Eine kursorische Begriffsgeschichte von „N-Wörtern“ aus interkontinentaler Perspektive

Ein nicht unwesentlicher Teil der historischen Forschungsliteratur legt nahe, dass das portugiesisch-spanische Wort N.5, aus dem sich auch die französischen und englischen Wörter N.2/3/4 ableiten, zunächst allesamt deskriptiver Natur waren und auf eine dunkle Hautfarbe verwiesen. Sie konnten zum Beispiel auch indigene Amerikaner oder Süd- und Ostasiaten mit einschließen.[13] Dennoch herrscht darüber in der Forschungsliteratur bisher keine Einigkeit, da eine systematische Untersuchung dazu noch aussteht. Obwohl die Klassifizierung unterschiedlicher Menschengruppen anhand phänotypischer Merkmale essentialisierende Tendenzen aufweist und der Binarität von Schwarz und Weiß Vorschub leistet, blieb der Gebrauch der „N-Wörter“ in den genannten Sprachen für längere Zeit ambivalent.

Erst im Zuge des 17. und besonders des 18. und 19. Jahrhunderts wurden die „N-Wörter“ parallel zum Aufstieg des transatlantischen Sklavenhandels immer mehr vereindeutigt und deutlich abwertender. Dieser Handel mit Versklavten erreichte erst zwischen der Mitte des 18. und dem ersten Viertel des 19. Jahrhunderts seinen Höhepunkt. Entsprechend erreichte auch die Zwangsarbeit von versklavten Schwarzen auf den karibischen und amerikanischen Plantagenwirtschaften erst im späten 18. und in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts – infolge der steigenden Nachfrage nach Kolonialwaren und den epochalen Industrialisierungsprozessen jener Zeit – ihren absoluten Gipfelpunkt. Dies hat die Betroffenen allerdings nicht davon abgehalten, ambivalente oder negativ konnotierte Fremd- in neutral oder positiv assoziierte Selbstbezeichnungen umzuwandeln. Die lange Zeit fortbestehende Mehrdeutigkeit von „N-Wörtern“ ist vielleicht nicht allzu überraschend, wenn wir uns zudem vor Augen führen, dass das subsaharische Afrika (mit Ausnahme Südafrikas) erst in den letzten beiden Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts kolonialisiert wurde. Europäer waren vorher genötigt, auf Augenhöhe mit afrikanischen Zwischenhändlern und Machthabern zu verhandeln. Dies gilt auch für den Kauf von etwa 12,5 Millionen Versklavten, was ohne afrikanische Anbieter in diesem Ausmaß kaum möglich gewesen wäre. Denn die europäischen Mächte und Händler waren vor dem 19. Jahrhundert weder gewillt noch dazu in der Lage, großflächige afrikanische Regionen zu unterwerfen. Sie waren auf afrikanische Eliten, Handelstreibende und Mittelsleute angewiesen, die sich ebenso an den Versklavungspraktiken bereicherten.

Auch der wissenschaftlich begründete Rassismus und die damit einhergehende geistige, moralische und (proto)biologistische Herabsetzung von Schwarzen nahm erst ab der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts merklich zu, bis der Rassismus dann im 19. Jahrhundert erstmals zu einer nahezu allgegenwärtigen und hegemonialen Ideologie des Westens wurde. Dennoch wurden „N-Wörter“ bereits frühzeitig, vor allem aber seit dem späten 19. und Beginn des 20. Jahrhunderts von politisch aktiven Schwarzen angenommen. Dies spiegelt zum Beispiel die 1911 von organisierten Schwarzen in Lissabon gegründete Vereinigung afrodiasporischer Studierender (Associação dos Estudantes Negros) wider, welche die Zeitschrift O Negro: Órgão dos Estudantes Africanos de Lisboa publizierte.[14]

In den USA sind der antischwarze Rassismus und die abwertenden Konnotationen und Assoziationen, welche der Ausdruck N.2 hervorruft, viel gravierender als bei dem im deutschsprachigen Raum verwendeten Wort N.1 , da die meisten Afroamerikaner und Afroamerikanerinnen direkte Nachfahren von Versklavten sind und daher von (Re)Traumatisierungserfahrungen betroffen sein können. Dennoch gibt es unter afroamerikanischen Schwarzen – im Gegensatz zu ihren afrodeutschen Pendants – eine größere Diversität im Umgang und Gebrauch mit den hier behandelten Wörtern und Begriffen. Die häufig behauptete Einigkeit, dass alle Schwarzen die Wiedergabe von „N-Wörtern“ grundsätzlich ablehnen würden, ist falsch und essentialisierend – auch wenn Teile der rassismussensiblen Positionierungen das immer wieder nahelegen. Sie homogenisiert dadurch eine heterogene Gruppe mit unterschiedlichen Ansichten. Einer der führenden afroamerikanischen Intellektuellen, der linke Professor, Philosoph, langjährige politische Aktivist und Präsidentschaftskandidat bei den US-Wahlen 2024 Cornel West, verwendet beispielsweise Ausdrücke, die heute in manchen Kreisen per se als rassistisch charakterisiert werden (zum Beispiel „niggerized“). Dennoch spielt West eine bedeutende Rolle in der antirassistischen Bewegung. Auch die immer wieder kontrovers diskutierte Position des liberalen afroamerikanischen Juristen und Professors an der Harvard Law School, Randall Kennedy, der für ein uneingeschränktes Aussprechen der betreffenden Wörter ist, verdeutlicht, dass es auch bei den zu dieser Thematik Forschenden keinen Konsens darüber gibt. Ein weiterer einflussreicher Autor, der kamerunische Intellektuelle und Professor, Achille Mbembe gebraucht bewusst das französische Wort N.3, um den Rassismus unverblümt darzustellen und zu dekonstruieren.

Ein kursorischer Überblick über einige soziale Bewegungen und Organisationen in den Amerikas und Teilen Afrikas ist besonders aufschlussreich. In manchen karibischen und lateinamerikanischen Ländern war der Ausdruck N.5 zu gewissen Zeiten anscheinend negativ assoziiert und infolgedessen verbreiteten sich andere Selbstbezeichnungen (zum Beispiel „persona de color“ und „sociedad de color“ im späten 19. Jahrhundert). Auch in Haiti wurde nach der ersten und einzigen erfolgreichen Revolution von Versklavten in einer europäischen Kolonie in der Verfassung von 1805 festgelegt, dass fortan alle Staatsangehörigen der neuen Republik als Schwarze/r („noir“) bezeichnet werden sollten. Dies legt nah, dass sich die haitianischen Revolutionäre bewusst gegen den Gebrauch des Ausdrucks N.3 in der Verfassung entschieden.[15] Gleichzeitig ist das französisch-basierte kreolische Wort „nèg/négès“ (Apokope für N.3) in Haiti (wie auch in St. Lucia, Dominica oder Louisiana) bis heute ein generischer Ausdruck für eine haitianische Person gleich welcher Hautfarbe.

In den 1920er und 1930er Jahren eigneten sich politisch aktive Afrolatinos/Afrolatinas das Wort N.5 wieder verstärkt an, und es entstanden Organisationen und Parteien wie Frente Negra Brasileira (1931) und Teatro Experimental do Negro (1944) in Brasilien oder die Partido Autóctono Negro in Uruguay (1936–1944). In den meisten lateinamerikanischen Ländern, wie u.a. Brasilien und Kuba, ist der Ausdruck N.5 heute noch gängig. In Brasilien startete die größte Black-Power-Bewegung Moviemento Negro Unificado, 1978 gegründet, in den 1980er und 1990er Jahren Kampagnen, die an die Bevölkerung appellierten, sich bei der Volkszählung als N.5 zu bezeichnen (anstatt „moreno/a”, „mulato/a” usw.).[16] Während in Kuba das Wort N.5 noch immer dominant ist und in letzter Zeit auch von etlichen afro-lateinamerikanischen Aktivisten, zum Beispiel in Argentinien, positiv umgedeutet wurde, wird in Brasilien, besonders in nichtakademischen Milieus auch der Ausdruck „preto/a” („schwarz“) als Selbstbezeichnung bevorzugt. In anderen Regionen Lateinamerikas, wie zum Beispiel in Kolumbien, benutzen Medien, Akademiker und Aktivisten zunehmend das Präfix „afro“ (z.B. „afrocolombiano/a“ oder „afrolatino/a“), gelegentlich auch „moreno/a“ („dunkelhäutig“) und gebrauchen auch vermehrt die Selbstbezeichnungen „afrodescendiente“.[17]

In den USA wiederum war die Bewegung New Negro Movement (heute als Harlem Renaissance bekannt) eine einflussreiche intellektuelle, kulturelle und soziopolitische Bewegung der 1920er und 1930er Jahre.[18] Darüber hinaus ist noch heute der 1944 gegründete United Negro College Fund (UNCF) eine aktive gemeinnützige Organisation, die Stipendien für afroamerikanische Studierende und allgemeine Stipendien für Hunderte von Colleges und Hochschulen, darunter 37 Historisch Schwarze Colleges und Hochschulen (HBCU) finanziert. 2008 wurde das Logo ausgetauscht, und seitdem sind nur noch die Initialen zu sehen, um teilweise der neuen Sensibilitäten auch gegenüber dem Ausdruck N.4 entgegenzukommen. Trotzdem hat der UNCF seinen Namen bis dato nicht geändert.

Auch in vielen afrikanischen Staaten haftet den Wörtern N.3/4/5 in der Regel keine pejorative Bedeutung an, obwohl einige Akademiker und Aktivisten (zum Beispiel in Nigeria) in den letzten Jahren durch afrodiasporische Communitys zunehmend dafür sensibilisiert worden sind. Noch 2010 wurde in Dakar, Senegal, das dritte weltweite Kunstfestival unter dem Titel Festival Mondial des Arts Nègres veranstaltet. Interessanterweise beschränkt Artikel 27 (b) der Verfassung Liberias von 1986 die Staatsbürgerschaft seiner Einwohner auf Schwarze (im Original als „negro or of a negro descent“ bezeichnet).

 

Die Entwicklung und Problematisierung des Wortes N.1 in Deutschland

Für den deutschen Kontext scheint es bis Mitte des 20. Jahrhunderts keine öffentliche Kritik an den in Deutschland verwendeten Fremdbezeichnungen für Schwarze gegeben zu haben. Angesichts der starken Diskriminierung und eines immer unverhohleneren Rassismus gegenüber Schwarzen wurde 1929 ein Verein unter dem Namen Liga zur Verteidigung der Negerrasse e.V. (LzVN) in Berlin gegründet. Das Negerbüro in Hamburg wurde zur zentralen Anlaufstelle für die Begegnung und Aktivitäten von Schwarzen in Deutschland. 1930 wurde dort von der Kommunistischen Internationale (Komintern) die erste Internationale Konferenz der Negerarbeiter illegal abgehalten. Sie stellt zusammen mit dem hierbei ins Leben gerufenen Internationalen Gewerkschaftskomitee der Negerarbeiter und der bis 1933 herausgegebenen Zeitschrift The Negro Worker den Höhepunkt der gemeinschaftlichen Aktivitäten Schwarzer in Deutschland dar. Warum benutzten also sowohl politisch linksradikal organisierte als auch eher konservative Schwarze in den 1920er und frühen 1930er Jahren den Ausdruck N.1 als Selbstbezeichnung, obwohl auch damals schon die (Selbst)Bezeichnung „Schwarze/r“ in Deutschland verwendet wurde?[19] Dies scheint eine weitere noch offene Forschungsfrage zu sein. Allerdings ist es naheliegend, dass dies auch mit dem damals blühenden Internationalismus von afrodiasporischen Aktivisten und der vorherrschenden Nomenklatur der Komintern zusammenhing.[20] Bereits seit dem frühen 20. Jahrhundert wurden in den USA liberale, schwarz-nationalistische, panafrikanische oder kommunistische Organisationen gegründet.[21] Kurz darauf wurden in Paris das Comité de défense de la race nègre (1926) und die Ligue de Défense de la Race Nègre (1927) ins Leben gerufen, die als Vorbilder für die deutsche Sektion dienten.[22] Auch in London wurde die Negro Welfare Association (1931) geschaffen, die unter anderem von Schwarzen aus der Karibik und Westafrika mitaufgebaut wurde. Die Wörter N.3/4 waren also damals im Englischen und Französischen eine allgemein übliche Selbstbezeichnung organisierter Schwarzer. Daher ist es auch nicht verwunderlich, dass Schwarze in Deutschland einen verwandten Ausdruck wählten.

An dieser Stelle sei ein Zitat aus einem semi-autobiografischen Buch von Dualla Misipo angeführt, der 1913 aus der damaligen deutschen Kolonie Kamerun nach Deutschland immigrierte, eine Familie gründete und 1937 vor der NS-Diktatur nach Frankreich floh: „Ich habe festgestellt, dass ‚Neger‘ in Europa eine Formel, aber kein menschliches Wesen darstellt.“ Da wir nicht wissen, wann Misipo diese Aussage verfasste – sein Manuskript ist zwischen den 1920er und 1960er Jahren entstanden und erstmals 1973 publiziert worden –, ist eine zeitliche Einordnung derzeit nicht möglich. Wir verstehen seine Ausführungen weniger als Problematisierung des Wortes N.1, sondern vielmehr als Veranschaulichung des Rassismus, den Schwarze in Deutschland, Frankreich und anderen Teilen Europas jener Zeit erlebten. Gleichzeitig scheint er sich von der Bezeichnung N.1 bewusst distanziert zu haben, da er ihn konsequent in Anführungszeichen setzte. Damit nahm er zum Teil die Kritik am Wort N.1 vorweg. Im breiteren deutschen Kontext fand die Problematisierung des Ausdrucks N.1 ab den späten 1960er und besonders im Zuge der 1970er Jahre statt. Dies war die Folge von Entwicklungen, die bereits vorher in Teilen der englischsprachigen und frankophonen Welt begonnen hatten. Seit den 1980er und 1990er Jahren setzte sich in den Wörterbuchredaktionen zunehmend die Auffassung durch, dass der Ausdruck N.1 als Fremdbezeichnung zu vermeiden sei. Parallel dazu setzte sich unter dem Einfluss der Afroamerikanerin Audre Lorde bei vielen Schwarzen jener Zeit die Selbstbezeichnung „Afrodeutsche/r“ durch.[23] Jedenfalls dauerte es Jahrzehnte, bis sich die Bewertung des Wortes N.1 von einer „damit oft verbundenen abwertenden Bed.“ (Duden-Lexikon 1984) über „gilt inzwischen als stark diskriminierend“ (Duden: Deutsches Universalwörterbuch 2006) zu „stark diskriminierende Bezeichnung“ (Universalwörterbuch und Duden: Onlineausgabe 2019) wandelte.

Diese Beispiele zeigen, dass eine diachrone Perspektive, welche die zeitlichen Veränderungen der Sprache analysiert, einen tieferen Erkenntnisgewinn hervorbringt als der Glaube an vermeintlich wesensimmanente Bedeutungen, Konnotationen und Assoziationen von Wörtern. Sie illustrieren darüber hinaus die synchrone Koexistenz unterschiedlicher Bedeutungsebenen beziehungsweise die Gleichzeitigkeit der Ungleichzeitigkeit verwandter einzelsprachlicher Wörter, die je nach Zeit, Raum und Kontext zu geachteten oder vermiedenen oder geächteten übereinzelsprachlichen Begriffen wurden und werden. Beispiele dafür finden sich zum Beispiel in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, als die Wörter N.1/3/4/5 zu den weltweit dominanten Selbstbezeichnungen von politisch organisierten Schwarzen avancierten. Oder auch der Ausdruck „Schwarze/r“ („Black“ oder „Noir“), der zunehmend zur führenden globalen Selbstbezeichnung vieler afrodiasporischer Communitys der letzten 50 Jahre geworden ist. Diese Prozesse veranschaulichen die dynamischen Transformationen, denen Selbstbezeichnungen als Bestandteile kultureller Identitäten unterliegen, und sie deuten an, dass sie auch künftig in Bewegung bleiben werden.

 

Die Betroffenenperspektive

Wir möchten erneut betonen, dass wir es für notwendig erachten, Wörter und Begriffe vor dem Hintergrund ihres zeitlich und räumlich bedingten Bedeutungswandels zu historisieren und zu kontextualisieren. Sie verlieren unter anderem durch die veränderte Empfindung und Verwendungsweise der Mehrheit der Betroffenen ihre Ambivalenz. Wenn zum Beispiel Schwarze selbst bestimmte Ausdrücke als (Selbst)Bezeichnung ablehnen, verlieren diese auch ihre Akzeptabilität als Fremdbezeichnung. Ambivalenzverlust beziehungsweise Vereindeutigung tritt auch ein, wenn allgemeingesellschaftliche Einigkeit darüber entsteht, dass zum Beispiel gewisse Ausdrücke wie die „N-Wörter“ rassistisch anmuten. Ihre Benutzung als Fremdbezeichnungen wird also gerade dann inakzeptabel, wenn sich ein gesellschaftlicher Konsens herausbildet. Diese Überlegung erhellt auch, wieso der an einer heute als rassistisch bewerteten Vokabel festgemachte Vorwurf des Rassismus sich nicht ohne weiteres auf die Vergangenheit zurückprojizieren lässt, in der ein solches allgemeingesellschaftliches sprachliches Bewusstsein nicht gegeben war.

Inakzeptabel wird der heutige Gebrauch von „N-Wörtern“ unserer Meinung nach besonders dann, wenn sie nicht nur reproduziert werden, sondern abwertend benutzt oder als Fremdbezeichnung auf Schwarze angewendet werden. Wenn jemand solche Wörter nicht in diesem Sinn gebraucht und dennoch ausgeschlossen, „gecancelt“ oder marginalisiert wird, mag dies auf die Zustimmung einiger von diesen Sprachhandlungen betroffenen Personen, Wissenschaftler und Aktivisten stoßen. Es schafft aber zugleich auch ein bevormundendes, unfreies und polarisierendes Klima, ohne dabei die immer noch vorherrschenden rassistischen Diskurse, Ressentiments und Strukturen anzuvisieren, erst recht nicht sie an ihrer Wurzel anzupacken. Ganz im Gegenteil finden wir: Eine solche Praxis, die „politisch unkorrekt“ gebrandmarkte Personen ausschließt, spaltet und schwächt eine auf Emanzipation ausgerichtete antirassistische Bewegung. Potentielle Verbündete werden dadurch geradezu geächtet, was wiederum zu einer Stärkung der politischen Rechten beitragen kann. Dass in den letzten beiden Jahrzehnten trotz zunehmender Rassismussensibilität sowohl der Rechtsextremismus als auch eine immer stärker zutage tretende rassistische Stimmung und Politik im Aufwind waren, spricht nicht gerade dafür, dass sprachliche Sensibilisierungsprozesse allein dem Rassismus den Wind aus den Segeln nehmen. Im Gegenteil, nicht wenige Menschen nehmen sie keineswegs als Sensibilisierungsprozesse wahr, sondern als Gängelung und aufgezwungene Tabuisierung – und das nutzen Rechte nicht selten für ihre Propaganda.

 

„Sprachkritik“ vs. „Sprachpolitik“ und ihre Folgen für Wissenschaft und politische Praxis

Ist die Auseinandersetzung mit Rassismus mittels starrer sprachpolitischer Vorgaben, Dogmen und Gebote, wie der Ächtung der „N-Wörter“, wirklich hilfreich für die Bekämpfung von Rassismus? Soziale Bewegungen, welche die Sprachpolitik in den Mittelpunkt stellen, können zwar der Anfangspunkt einer tiefergehenden Politisierung darstellen, gehen aber in der Regel selten über Sprachpolitik hinaus. Wir beabsichtigen keineswegs, die sprachliche Ebene gegenüber materiellen Verhältnissen auszuspielen. Wir denken aber nicht, dass die Reproduktion von als rassistisch empfundenen Bezeichnungen zwangsläufig im Widerspruch zu Emanzipationsprozessen steht oder dass gesellschaftspolitische und rechtliche Sanktionierungen ausschließlich im Ermessen der Betroffenen liegen sollten.

Gleichzeitig bleibt die semantische Ebene essentiell, da der Rassismus nie ohne seine sprachlichen Ausdrucksformen und ideologischen Versatzstücke auskommt. Die steigende Popularität von Begriffen wie „Überfremdung“, „Umvolkung“ (auch als „Bevölkerungsaustausch“ oder „großer Austausch“ bekannt), „Flüchtlingswelle“ oder „-invasion“ und der jüngste Skandal um die von AfD-Politikern, Mitgliedern der Identitären Bewegung sowie einem CDU-Politiker, laut  Recherchen des Medienunternehmens Correctiv, geforderten „Remigration“ (Deportation) von unerwünschten Ausländern und nichtweißen Deutschen sind aktuelle Beispiele dafür. In diesem Kontext sind nicht notwendigerweise die betreffenden Ausdrücke schlechthin, sondern vielmehr der jeweilige individuelle oder kollektive Gebrauch dieser Begriffe konstitutiv. Rechtsradikale versuchen, negativ besetzte Begriffe so medienwirksam und tiefgreifend wie möglich zu fixieren, um dadurch die Definitionsmacht zu erlangen. Im Gegensatz zur derzeit statisch gehandhabten Sprachpolitik kann eine radikale Sprachkritik die umnebelnden Inhalte rassistischer Aussagen deutlich feinfühliger dechiffrieren. Denn die möglichst ergebnisoffene Forschungsweise, die vielen sprachkritischen Ansätzen zugrunde liegt, kann das asymmetrische Wechselspiel von hegemonialen Macht- oder Herrschaftsverhältnissen und opponierenden Diskursen und sozialen Praktiken adäquater einordnen und dadurch auch effektiver zur Bekämpfung des Rassismus beitragen.

In der Praxis könnte dies bedeuten, das Augenmerk nicht hauptsächlich, geschweige denn ausschließlich auf performative Äußerungen, Symbole, Weltanschauungen, Diskurse und Repräsentationen zu lenken, sondern gleichermaßen auf die mit ihnen eng verwobenen konkreten ökonomischen, juristischen und politischen Praktiken. Damit meinen wir zum Beispiel die 2023 erfolgte Verschärfung der EU-Asylverordnung, die auch in Deutschland zu einer zunehmenden Prekarisierung von Geflüchteten und Migranten führt. Die Tatsache, dass über 28.000 Menschen seit 2014 bei der Flucht über das Mittelmeer – auch durch unterlassene Hilfeleistung und illegale sogenannte Pushbacks der EU – ums Leben kamen, würde nach dieser Prioritätensetzung größerer Aufmerksamkeit und dringlicherer Lösungsansätze bedürfen als die Durchsetzung unverrückbarer sprachpolitischer Richtlinien. Dies betrifft ebenso die von Politik, Medien und Teilen der Gesellschaft auch diskursiv legitimierten Verhältnisse in Geflüchtetenunterkünften. Dazu zählen weiterhin die Vernachlässigung der Abschiebung von über 150.000 Menschen in den letzten zehn Jahren oder die Diskriminierung von Zehntausenden von der Abschiebung bedrohten Personen und fast 300.000 rechtlich benachteiligten, ausreisepflichtigen Menschen, die lediglich eine Duldung besitzen. Eine  apodiktische, engstirnige und kontextbefreite Sprachpolitik läuft zudem Gefahr, dass Sprechakten wie der Benutzung des Ausdrucks N.1 mehr Bedeutung beigemessen werden könnte als den politisch und gesellschaftlich oft für gerechtfertigt erklärten Doppelstandards bei der Behandlung weißer und nichtweißer Geflüchteter und, nicht zuletzt, den vom Westen mitverursachten Fluchtbewegungen als Folge von Imperialismus, Krieg und Neokolonialismus.

Diskurse und Praktiken des staatlich verankerten, politisch durchgesetzten, mainstream-medial reproduzierten und sich in der Alltagspraxis herauskristallisierenden strukturellen Rassismus gegenüber Nichtweißen könnten vermehrt Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchungen und antirassistischer Aktivitäten sein. Dieser kommt in der Verwaltung, Polizei, Justiz, Bundeswehr, in Bildungseinrichtungen, Krankenhäusern, der Gesundheitsversorgung und anderen Institutionen vor. Anstatt der rigiden Sprachpolitik dermaßen viel Platz einzuräumen, plädieren wir dafür, sozioökonomischer Diskriminierung (z.B. in Schulen und Universitäten oder auf dem Arbeits- und Wohnungsmarkt) und den sie rechtfertigenden Diskursen mehr Beachtung zu schenken. Hierbei ist es wichtig, auch die gesetzliche und politische Benachteiligung (z.B. bei Wahlen) und ihre entsprechenden Begründungen unter die Lupe zu nehmen. Alltägliche, verbale Beleidigungen, körperliche Angriffe und die grassierende praktische und diskursive Gewalt gegen Migranten und Nichtweiße verdienen mehr Aufmerksamkeit. Dem äußerst problematischen politischen, medialen und behördlichen Umgang mit Rechtsextremismus, mit den Opfern rechter Gewalt (z.B. im Fall des antimuslimischen Terroranschlags von Hanau 2020) und mit politisch verfolgten Geflüchteten sollte deutlich mehr kritisches Interesse und Gewicht verliehen werden. Auch die staatlich behinderte Aufarbeitung der Verwicklung des Verfassungsschutzes in die NSU-Morde (2000 bis 2006), die bis heute straflos gebliebenen Tötungen Schwarzer durch mutmaßlich rassistische Polizeigewalt (z.B. Oury Jalloh 2005 in Dessau, Mouhamed Dramé 2022 in Dortmund, K.I.M. Mutombo 2022 in Berlin oder Lamin Touray 2024 in Nienburg) und die gängige Praxis des Racial Profiling müssten stärker ins gesellschaftliche Bewusstsein rücken. Zumal die heutigen Rassismen in vielen wirtschaftlichen, politischen und institutionellen Formen und Facetten subtiler auftreten und beinahe ausnahmslos auf eben jene Wörter verzichten, die Phänomene, Entwicklungen und Strukturen als eindeutig rassistisch markieren und bloßstellen würden.

Besonders deutlich werden die zugrunde liegenden Widersprüche und Doppelstandards der gegenwärtigen Sprachpolitik, wenn wir uns Folgendes vor Augen führen: Die afrodeutsche Sozialministerin von Schleswig-Holstein, Aminata Touré (Bündnis 90/Die Grünen), verurteilt zwar die Reproduktion des Wortes N.1/?, arbeitet aber zugleich für eine Partei, welche die Ankündigung des Bundeskanzlers, abgelehnte Asylbewerber „im großen Stil“ abschieben zu wollen, nunmehr mit dem neuen Rückführungsgesetz tatsächlich in die Tat umsetzen wird. Darüber hinaus verteidigte Touré jüngst die versuchte Abschiebung von zwei jungen afghanischen Männern (von 19 und 22 Jahren) aus einem Kirchenasyl in Schwerin nach Spanien durch 40 Polizeibeamte, darunter ein Spezialeinsatzkommando. Hinzu kommt, dass Touré zusammen mit dem afrodeutschen Berliner Kultursenator Joe Chialo (CDU) an vorderster Front derjenigen nichtweißen Politiker steht, die antipalästinensischen Rassismus befördern und Stimmen ausgrenzen, die sich gegen die aktuelle israelische Kriegspolitik, Israels rechtsextreme Regierung und ihre Verstöße gegen internationales Recht oder die Besatzungspolitik aussprechen und die zudem bestrebt sind, die Kunst- und Redefreiheit weiter einzuschränken.[24] Rassismussensible Sprachpolitik und die Kontinuitäten rassistischer Diskurse und Praktiken können also durchaus Hand in Hand gehen.

Wir denken allerdings weder, dass eine Tabuisierung von „N-Wörtern“ noch ihre unbedachte und exzessive Verwendung gegenüber Betroffenen angemessen ist.[25] Mit anderen Worten: Neben der Betroffenenperspektive spielen u.a. sowohl der subjektive Zweck des Gesagten als auch die objektive Außenwirkung (bzw. der Empfängerhorizont) – die sich dynamisch je nach Ort und Zeit verändern kann – bei der angemessenen Einschätzung von Aussagen zentrale Rollen.[26] Zudem bleibt in dieser Diskussion nicht selten die qualitative Unterscheidung zwischen Gebrauch und Erwähnung unberücksichtigt. Hierbei wird gelegentlich außer Acht gelassen, ob Wörter oder Begriffe metasprachlich verwendet werden, also um über sie zu sprechen, oder ob sie objektsprachliche Anwendung finden, wie zum Beispiel in den Zitaten von Leibniz und Marx, wo die Wörter N.1/2 tatsächlich gebraucht und nicht lediglich erwähnt werden. In der sprachphilosophischen Unterdebatte, die unter dem Titel „slurs under quotation“ geführt wird, werden diese Unterscheidungen zwar getroffen. Die Wörter N.2/4 werden allerdings als immer schon beleidigend vorausgesetzt, ohne, wie wir finden, dies nachvollziehbar zu belegen oder die räumlich-zeitlichen Veränderungen hinreichend zu berücksichtigen. Tendenziell gilt hier die bloße Erwähnung der Ausdrücke N.2/4 bereits als beleidigend. Der Verzicht auf ausgeschriebene „N-Wörter“ wird insbesondere damit begründet, dass der Neologismus „N-Wort“ zur Umschreibung bekanntermaßen zur Verfügung stehe. Auch hier wird im Voraus ahistorisch davon ausgegangen, dass der Neologismus „N-Wort“ a priori (also bereits von Vornherein) einen „euphemistischen Kode“ darstellt, der die Tabuisierung der ausgeschriebenen „N-Wörter“ bezwecken sowie einem eventuellen Trigger-Effekt entgegenwirken soll.

Auch wenn wir identitätspolitischen Strömungen kritisch gegenüberstehen, verstehen wir uns ausdrücklich als Teil einer antikolonialen und antirassistischen Bewegung. Und obwohl wir selbst als Nichtweiße von unterschiedlichen Rassismen betroffen sind, scheint uns die heutige panikartige Aufgeregtheit und Empfindlichkeit bei der Aussprache von zu Begriffen mutierten Wörtern in vielerlei Hinsicht problematisch. Dennoch finden wir das Beharren darauf, „N-Wörter“ unreflektiert, geschweige denn als Fremdbezeichnung zu verwenden keinesfalls weniger problematisch. Wir sind im Grunde genommen weder an Deutungshoheit noch an der Durchsetzung von als „politisch korrekt“ empfundenen Ausdrücken interessiert. Das bedeutet auch, dass wir uns gegen eine pauschale Vermengung von Wissenschaft und Aktivismus verwahren, selbst wenn wir die Forderungen einer wertorientierten Wissenschaftspraxis teilen. In letzter Instanz sind zwar weder Wertfreiheit noch Objektivität tatsächlich einlösbar und auch Wissenschaft und Aktivismus nicht immer klar voneinander zu trennen. Trotzdem versuchen wir die Geschichte so präzise wie möglich abzubilden und zu analysieren, ohne dabei schon von Vornherein eine (sprach)politische Agenda zu verfolgen, die, wenn überhaupt, ohnehin erst am Ende des Forschungsprozesses stehen sollte. Sozioökonomische, politische und kulturelle Veränderungen sind auf kritische Wissenschaft und diese wiederum auf die Analyse und Kenntnis historischer Texte und Artefakte angewiesen. Daher erfordert eine kritische wissenschaftliche Praxis auch die Möglichkeit, Werke unverfälscht rezipieren zu können.

Wir haben uns bemüht, zu begründen, weshalb eine Rücksichtnahme auf heutige Befindlichkeiten und Sensibilitäten in Bezug auf die Reproduktion besagter Wörter weder dazu beiträgt, ein Geschichtsverständnis ergebnisoffen zu entwickeln noch die gesellschaftlichen Verhältnisse diskriminierter Gruppen adäquat und differenziert darzustellen, geschweige denn wesentlich zu ihrer Verbesserung beizutragen. Denn solange Nichtweiße im „Globalen Süden“ tendenziell in deutlich ärmeren Verhältnissen leben müssen und stärkerer Unterdrückung ausgesetzt sind als ihre Gegenüber im „Globalen Norden“ und solange unzählige nichtweiße Menschen auch im sogenannten Westen spürbar benachteiligt werden, werden der Rassismus und das kulturelle Überlegenheitsgefühl in den Köpfen vieler Menschen immer wieder aufs Neue reproduziert – ganz unabhängig von einem sensiblen Sprachgebrauch. Nicht zuletzt auch deshalb, weil Populisten von rechts bis links wie Björn Höcke, Friedrich Merz und Sahra Wagenknecht einen Keil treiben zwischen die „inländische“ Arbeiterschaft einerseits und „ausländischen“ Lohnarbeitern andererseits. Letztere sind oftmals auch noch gezwungen, für weniger Geld zu arbeiten, und werden dadurch schnell zu Sündenböcken deklariert.

Des Weiteren wird der Rassismus weder aufgehoben noch wesentlich geschwächt, wenn eine als rassistisch empfundene Wortwahl ausgetauscht oder eine abgekürzte Form verwendet wird. Wenn also von Schwarzen oder auch von N.1-5 gesprochen wird, dann ist damit keineswegs auszuschließen, dass ähnlich negative Konnotationen und Assoziationen hervorgerufen werden wie mit den ausgeschriebenen „N-Wörtern“. Der Kontext, aus dem ein Wort oder auch ein Begriff seine Bedeutung bezieht, bleibt weiterhin bestehen und verändert sich nicht durch einen bloßen Austausch. Vielleicht wäre es trotzdem hilfreich, wenn aufgrund der mittlerweile verstärkt empfundenen Beleidigungen und Schmerzen, die bei einigen durch ihre Reproduktion ausgelöst werden, Sprecherinnen und Sprecher, wie beispielsweise Dozierende, bereits im Vorhinein über den Zweck der Reproduktion informieren würden.

Wie ist es allerdings einzuschätzen, wenn „N-Wörter“ von Sprechenden und Schreibenden reproduziert werden, um kritisch auf den nackten Rassismus aufmerksam zu machen? Dies führt in letzter Zeit zunehmend dazu, dass die heutige (häufig sprachpolitisch kolorierte) Perspektive ahistorisch auf die Vergangenheit übertragen wird und dadurch Missinterpretationen entstehen, die zum Beispiel zu Protest bei Studierenden und zu Konsequenzen für die Dozierenden führen. Liegt dann das Problem nicht eher bei der zugrundeliegenden Voreingenommenheit und der mangelnden Bereitschaft der Hörenden/Lesenden, sich von sprachlichen Ausdrucksweisen zu distanzieren als bei den Sprechenden/Schreibenden oder gar den verwendeten Ausdrücken? Dies lässt zugegebenermaßen die Frage nach dem Umgang mit „epistemischen Verletzungen“ unbeantwortet. Dennoch: Wenn wir als Sprecher mehr auf die Sensibilitäten der Betroffenen Rücksicht nehmen als auf die akkurate Reproduktion von Aussagen, öffnen wir damit nicht Tür und Tor für die Rücksichtnahme auf alle möglichen (auch „unberechtigten“) Sensibilitäten (z.B. von Kapitalisten, Faschisten oder Islamisten)? Dass die sprachkritischen Forderungen diskriminierter Gruppen in der Regel „berechtigter“ sind als die von Privilegierten, da Erstere gewöhnlich stärkerer Veranderung (Othering), Abwertung und Unterdrückung ausgesetzt sind, leuchtet sicherlich ein. Das Zugeständnis an sprachpolitische Sprechgebote birgt dennoch Gefahren für die Ausübung der Rede- und Ausdrucksfreiheit und dadurch auch für die adäquate (historische) Analyse von Aussagen.

 

Der inflationäre Gebrauch des Rassismusbegriffs und die Verwertung der Rassismuskritik

Im 17. und besonders 18. Jahrhundert trugen die europäischen Aufklärungen maßgeblich zur Ausformulierung des Konzepts der „Rasse“ bei. Historisch erwuchs der Rassismus vor allem im Zuge globaler Machtungleichheiten. Der Kolonialismus bediente sich des Rassismus, verbreitete ihn und entwickelte ihn weiter, um globale Herrschaftsverhältnisse aufrechtzuerhalten und zu legitimieren. Rassismus wird vornehmlich sozial, wirtschaftlich, politisch, institutionell und kulturell produziert und reproduziert. Dabei werden Menschen in vermeintlich Über- und Unterlegene eingeteilt. Die Bekämpfung rassistischer Strukturen setzt unserer Einschätzung nach die ungeschminkte Offenlegung ihrer Geschichte voraus (vor allem in Bezug auf die gesellschaftlichen Verhältnisse und Institutionen) und der aus der geschichtlichen Entwicklung heraus erkennbaren gesellschaftlichen Mechanismen. Die Einforderung und uneingeschränkte Anerkennung der Würde und Menschenrechte der Betroffenen mithilfe der Verbesserung ihrer Lebensbedingungen, dem Abbau rassistischer Strukturen und nachhaltiger Emanzipationsprozesse spielen dabei eine entscheidende Rolle.

Eine Reihe von Rassismusexperten und kritischen Kommentatoren, darunter jüngst auch der afroamerikanische Literaturwissenschaftler Tyler A. Harper, weisen zu Recht auf Folgendes hin: Der Rassismusbegriff wird aufgrund seiner inflationären Verwendung – zum Beispiel durch akademische Superstars wie Ibram X. Kendi – zunehmend analytisch unscharf. Das liegt unter anderem auch daran, dass keine Nuancierungen zwischen den sich zwar teilweise überschneidenden, aber dennoch unterschiedlichen Phänomenen wie zum Beispiel Ethnozentrismus, Eurozentrismus, Veranderung (Othering), Stereotypisierung, Exotisierung, Xenophobie und Rassismus vorgenommen werden. Dementsprechend wäre es fehl am Platz, eine Person des Rassismus zu bezichtigen, nur weil sie „N-Wörter“ in historischen Quellen, literarischen Werken oder zum Zweck von rassismuskritischen Analysen zitiert oder in nichtdiskriminierender Absicht erwähnt.

In diesem Sinne erscheint es ähnlich absurd, Koeppen aufgrund der Sprache, die er seinen fiktiven Romanfiguren in den Mund legt, Rassismus vorzuwerfen. Koeppens Roman spielt 1949 in München. Das unmittelbare Nachkriegsdeutschland war vom Faschismus geprägt und vom Krieg gezeichnet. Sowohl rassistische Ressentiments und Stereotype als auch der Hass gegenüber den „Besatzungssoldaten“ jener Zeit werden im Buch gespiegelt und literarisch verarbeitet. Dies außer Acht zu lassen und sich auf die darin verwendeten „N-Wörter“ zu fokussieren wird dem Roman keineswegs gerecht.[27]  Somit wird die Chance verpasst, sich mit dem von Koeppen anschaulich dargestellten Rassismus der späten 1940er und 1950er Jahre zu beschäftigen.[28] Die Aussage Jasmin Blunts – sie habe einen der schlimmsten Tage ihres Lebens gehabt, weil in dem Werk etwa hundertmal „das N-Wort“ vorkomme – erscheint wie ein Hohn gegenüber den Zehntausenden Menschen, die aufgrund von rassistischen Strukturen in Deutschland einen einschneidenden, lebensbedrohlichen oder gar tödlichen Rassismus erfahren.

Eine nicht unbedeutende Anzahl von Akademikern und Aktivisten wird zudem von Universitäten oder anderer öffentlicher Institutionen und Behörden, Unternehmen und Politikerinnen und Politikern darin unterstützt, rassismussensible Ausdrucksweisen zu fördern. Das verleiht ihnen immerhin einen progressiven Anschein. In einem institutionellen Rahmen ist es natürlich leichter und lukrativer, Compliance- und Diversity-Workshops oder rassismuskritische Seminare abhalten zu lassen und Diskriminierung hauptsächlich auf sprachlicher und individueller Ebene zu verorten als tiefgreifende rassistische Strukturen anzugehen. Diese Formen der Rassismuskritik passen auch bestens zur Logik des Kapitalismus, denn sie lassen sich mühelos und profitabel verwerten. Antirassistische Bildungsarbeit ist zwar wichtig und kann unter anderem dazu beitragen, Vorurteile abzubauen oder die materiellen, ideologischen und diskursiven Ursachen und Folgen des Rassismus zu beleuchten. Aber die vorherrschenden gesellschaftlichen Privilegien bleiben dabei insgesamt unangetastet und daher fungiert dieser rassismuskritische Ansatz oft auch als ein Elitediskurs aus dem akademisch-aktivistischen Elfenbeinturm mit teils fragwürdigen Auswirkungen auf die Wahrnehmung von Betroffenen.

 

Fazit

Wir stehen manchen aus der Kritischen Weißseinsforschung oder Teilen der Critical Race Theory abgeleiteten und in aktivistischen, links-liberalen und einigen postkolonial gefärbten rassismuskritischen Strömungen erhobenen Forderungen bezüglich der Ächtung von „N-Wörtern“ skeptisch gegenüber. Es ist unseres Erachtens kontraproduktiv, wenn Wissenschaft, Literatur und auch die Medien aus sprachpolitischen Gründen davor zurückscheuen, die Geschichte des Rassismus unverschleiert – das heißt einschließlich heute als rassistisch bewerteter Wort- und Begriffsverwendungen – offenzulegen oder wenn historische Nuancen und Widersprüche aus dem Blickfeld getilgt werden. Der hier von uns skizzierte Umgang mit Ausdrücken und Äußerungen ist nicht auf das Thema Rassismus beschränkt, sondern lässt sich auf viele weitere Wörter und Begriffe übertragen.

Im Marxschen Sinne gehen wir davon aus, dass zumeist zunächst das gesellschaftliche Sein das Bewusstsein bestimmt. Mit anderen Worten: Es entscheiden soziale und materielle Verhältnisse darüber, welche Formen des Bewusstseins entstehen, sich weiterentwickeln und behaupten, dominant werden oder abnehmen und in Vergessenheit geraten. Aus dem Bewusstsein heraus erschaffen und konzipieren Gesellschaften Sprache. Und der Sprachgebrauch spiegelt den Zustand des menschlichen Bewusstseins, Wissenshorizonts und Daseins wider. Wissen, Handlungsmacht und soziale Praxis wiederum vermögen die Existenz und das Bewusstsein zu verändern. Das Bewusstsein kann das gesellschaftliche Sein daher entscheidend mitprägen. Darin liegen die Möglichkeiten des unaufhaltsamen Werdens und Vergehens im gesellschaftlichen Wandel. Konkret bedeutet dies, dass die transformative Kraft des Bewusstseins ohne die Transformation der gesellschaftlichen Verhältnisse den strukturellen Rassismus nicht abbauen kann, sondern bestenfalls nur den Sprachgebrauch reguliert und Menschen für Rassismus sensibilisiert.

 

Kaveh Yazdani ist Sozial- und Wirtschaftshistoriker sowie Assistant Professor am Geschichtsinstitut der University of Connecticut. Zu seinen Publikationen zählen u.a. die Mitherausgeberschaft der beiden Sammelbände Capitalisms of the “Global South”, Historia Crítica 89 (2023) und Capitalisms: Towards a Global History, Oxford University Press: Delhi 2020 sowie die Monographie India, Modernity, and the Great Divergence: Mysore and Gujarat (17th to 19th Century), Leiden/Boston: Brill 2017.

Sina Delfs ist eine afrodeutsche Aktivistin. Seit mehreren Jahren forscht und arbeitet sie sowohl zur Geschichte Afrodeutscher als auch zu Schwarzen in der deutschsprachigen Literatur zwischen dem 17. und frühen 20. Jahrhundert.

 

[1] Da die Debatte um das „N-Wort“ sehr kontrovers diskutiert wird und unser Text unterschiedliche wissenschaftliche Gebiete umfasst, haben wir während des Entstehungs- und Bearbeitungsprozesses einen interdisziplinären Austausch gesucht. Zahlreiche Kolleginnen und Kollegen – darunter Afrikanisten, Experten in Black Studies, Historiker, Sprachwissenschaftler, Literaturwissenschaftler, Pädagogen, Philosophen, Psychologen, Rassismusforscher, Rechtswissenschaftler und Soziologen – haben sich freundlicherweise dazu bereit erklärt, erste Versionen des Essays kritisch zu kommentieren oder Fragen zu beantworten und uns dadurch wichtige Impulse gegeben. Folgenden Personen sind wir zu Dank verpflichtet: Carlos Agudelo, Paulina L. Alberto, George Reid Andrews, Eduard Arriaga-Arango, Wolfgang Benz, Manuela Boatcă, Denise Bergold-Caldwell, Helmut Bley, Hubert Devonish, Toyin Falola, João Figueiredo, Julia Fischer-Ortmann, Alejandro de la Fuente, Frigga Haug, Wolfgang Fritz Haug, Wulf-Dietmar Hund, Isabelle Ihring, Jennifer Jones, Franklin W. Knight, Andrea Kramper, Achim Landwehr, Ulrike Lindner, John M. Lipski, Stefanie Michels-Schneider, Susan Neiman, Jürgen Overhoff, Nora Räthzel, Bernd Reiter, Petra Rivera-Rideau, Walter Sauer, Peter Schlobinski, Falko Schmieder, Pirmin Stekeler-Weithofe, Jana Tereick, Helmut Weiß, Anna-Esther Younes und Aram Ziai. Ganz besonders möchten wir uns bei folgenden Personen für ihre hilfreichen und wertvollen Kommentare, Kritiken und Verbesserungsvorschläge bedanken: Robbie Aitken, Aleida Assmann, Cengiz Barskanmaz, Claudia Brunner, Naika Foroutan, Christian Geulen, Hans-Jürgen Heringer, Daniel James, Florian Kappeler, Serhat Karakayali, Jörg Kilian, Reinhart Kößler, Christoph Marx, Ulrike Marz, Paul Mecheril, Katrin Meyer, Ernst Müller, Thomas Niehr, Peter Oestmann, Gerald Posselt, Joachim Scharloth, Willibald Steinmetz, Michael Schubert, Ulrich Wagner, Klaus Weber, Frieder Otto Wolf und Martin Wengeler. Es sei hier angemerkt, dass die oben genannten Personen nicht unbedingt unsere Analysen und Standpunkte teilen.

[2] Im Deutschen steht der Ausdruck „N-Wort“ hauptsächlich für „Neger” (im Folgenden als N.1 gekennzeichnet), aber nicht selten auch für das englischsprachige „Nigger“ (N.2) und das französischsprachige „nègre“ (N.3). Zunehmend wird die Bezeichnung „N-Wort“ aber auch für das englische Wort „Negro“ (N.4) und das spanisch-portugiesische „negro/a“ (N.5) verwendet. Dies führt im deutschen Kontext dazu, dass es nicht immer klar ist, welche Wörter (neben N.1) mit der Abkürzung „N-Wort“ eigentlich gemeint sind. Der Ausdruck „N-Wort” entstammt der seit den späten 1980er Jahren vermehrt verwendeten US-amerikanischen Bezeichnung „N-Word“. Ursprünglich wurde Letztere als Neologismus und Umschreibung für das Wort N.2 eingeführt, um so die von einigen Betroffenen empfundene Trigger-Wirkung durch das ausgeschriebene/ausgesprochene Wort zu vermeiden. Der englische Ausdruck N.2 gilt seit Jahrzehnten als einer der am stärksten tabuisierten und beleidigenden Schimpfwörter der englischen Sprache. Ihren Ursprung haben alle diese Wörter im Lateinischen „nigrum“, „nigra“ oder „niger“ („schwarz“). Der Ausdruck „Mohr”, zunehmend auch als „M-Wort“ bezeichnet (im Folgenden als M. gekennzeichnet) stammt ursprünglich vom Lateinischen „maurus“ („Einwohner Mauretaniens“) oder griechischen „mauros“ („schwarz” oder „dunkel“).

[3] 2020 stuften zum Beispiel die Stadträte in Köln, Bocholt, Heidelberg und 2021 in Kassel, Jena und Wuppertal das Wort N.1 als rassistisch ein. 2022 schlossen sich u.a. München, Wilhelmshaven und Witten, 2023 Aachen, Augsburg und Lohfelden und 2024 Nürnberg der Ächtung des Ausdrucks N.1 an.

[4] Um diese Praxis anhand konkreter Fälle aufzuzeigen, seien die folgenden Beispiele aus dem US-amerikanischen Kontext angeführt, wo auch Dozierende besonders prekären Arbeitsverhältnissen ausgesetzt sind, da über 70 Prozent von ihnen keine Festanstellung haben und ohne weiteres kündbar sind: 2018 wurde Eric Triffin, ein außerordentlicher Professor für Public Health (Öffentliche Gesundheit) an der Southern Connecticut State University, dauerhaft suspendiert, nachdem sich Studierende beschwert hatten, dass er den Ausdruck N.2 in einem im Unterricht gespielten Lied mitsang. Der Geschichtsprofessor Phillip Adamo von der Augsburg University in Minnesota wurde 2019 vorübergehend suspendiert, nachdem er in der Diskussion über einen Roman von James Baldwin den Ausdruck N.2 zitierte. Jason Kilborn, ein Juraprofessor an der Universität von Illinois in Chicago, wurde 2020 für einige Wochen beurlaubt, obwohl auch er den Ausdruck N.2 lediglich als Zitat wiedergab und es sogar als „profane Beleidigung“ betitelte. Aufgrund der Beschwerden von Studierenden musste er interkulturelle Kompetenztrainings durchlaufen und sein Kurs wurde vier Semester lang überwacht. Im selben Jahr wurde Professor Greg Patton von der University of Southern California von einem Kurs suspendiert, da er dreimal hintereinander ein chinesisches Füllwort aussprach, welches sich auf Englisch wie der Ausdruck N.2 anhört. Ebenfalls 2020 wurde der Professor Gary Shank entlassen, nachdem er in einem Pädagogik-Seminar das Wort N.2 thematisiert hatte und es im Zuge dessen aussprach. 2021 gab es zudem einen Aufschrei, als der renommierte New York Times Journalist Donald McNeil Jr. auf einer Studienreise vor weißen Schülerinnen und Schülern den Ausdruck N.2 reproduziert hatte. Nach lautstarker Empörung seitens seiner Kollegen und Druck von oben kündigte er schließlich. Wir halten also fest: Die hier aufgezählten Fälle sind Beispiele, in denen die bloße, in einem Fall sogar nur vermeintliche Wiedergabe des Ausdrucks N.2 in überwiegend nichtdiskriminierender Absicht existentielle, soziale oder materielle Konsequenzen hatte.

[5] Dies wissen wir vor allem aus privaten Gesprächen mit Kolleginnen und Kollegen.

[6] Der bewusste Gebrauch der Ausdrücke N.3/4 trifft auch auf viele weitere Schwarze, vor allem Aktivisten und Intellektuelle zu, darunter wichtige Denker und Autoren des 20. Jahrhunderts wie W.E.B. Du Bois, Marcus Garvey, Lamine Senghor, Paulette und Jeanne Nardal, C.L.R. James, Eric Williams, Léopold Sédar Senghor, Aimé Césaire, Martin Luther King, Walter Rodney, Maya Angelou, Toni Morrison und Stuart Hall.

[7] Dies ist allerdings auch für das Zitieren im Gerichtssaal und in Gerichtsurteilen relevant. Denn Gerichte haben die Aufgabe, im Rahmen der Beweisführung das Gesagte so genau wie möglich zu erfassen, um so in einem zweiten Schritt den Sachverhalt subsumieren zu können.

[8] Strafgesetzbuch – § 130 (Volksverhetzung) oder § 185 (Beleidigung).

[9] Dazu zählen „Nigritis“, „Negro“, „Neger“, „Negre“, „Nigger“, „Negrillo“, „Negride“, „Negroide“, „Negritos“.

[10] Dass Amo 1729 die Disputation De iure Maurorum in Europa an der Universität Halle verteidigte, ist kein Indiz dafür, dass er den Ausdruck als Selbstbezeichnung annahm. Es spricht einiges dafür, dass er nicht selber der Verfasser der Disputation gewesen ist. In der Tat war es zu seiner Zeit keineswegs unüblich, die Disputation anderer Verfasser zu verteidigen.

[11] Wir weisen daher entschieden die rechtsradikalen und konservativen Positionen à la Nikolaus Kramer (AfD), Joachim Herrmann (CSU) und Boris Palmer (parteilos, zuvor Bündnis 90/Die Grünen) zurück, um nur einige zu nennen, die den Ausdruck N.1 in mehr oder weniger eindeutig rassistischer Manier als Fremdbezeichnung auf Schwarze anwenden. Wir grenzen uns auch von links-nationalistischen Einstellungen ab, die zum Beispiel von Politikern wie Sahra Wagenknecht und Oskar Lafontaine verbreitet werden. Obwohl sie bisher nicht öffentlich mit der Benutzung des Wortes N.1 auffielen, ist ihnen weder eine rassismussensible Wortwahl noch antirassistische Politik ein wesentliches Anliegen, weshalb sie die Wiedergabe von als diskriminierend empfundenen Äußerungen erklärtermaßen für unproblematisch halten. Bekanntlich ist der Kampf gegen rassismus- und sexismuskritische Sprechakte derzeit einer der zentralen politischen Schlachtfelder der globalen Rechten (von Putin über Trump zur AfD) und trägt Züge eines „Kulturkampfs“. Sich hier an die Rechte anzubiedern, kann Wagenknecht also durchaus auch Stimmen rechter Wählerinnen und Wähler einbringen. Die Benutzung des Wortes N.1 als Bezeichnung für Schwarze, wie es im September 2023 der Politiker Gregor Gysi bei Markus Lanz zum Ausdruck brachte, zeugt zwar von einer gewissen Ignoranz und mangelnder Rassismus-Sensibilität. Dennoch greift es i.d.R. zu kurz, wenn der Kontext und die Gebrauchsabsichten ausgeblendet werden, wie es nicht wenige rassismuskritische Personen oft tun.

[12] Nicht alle afrodeutschen Aktivisten, Wissenschaftler und öffentlichen Personen vertreten den Standpunkt, dass eine Reproduktion in Zitatform unangemessen ist. So zitieren u.a. Afrob, René Aguigah, Joshua Kwesi Aikins, Mo Asumang, Aminata Belli, Kevin-Prince Boateng, Samy Deluxe, Anna Dushime, Aurel Mertz, Fatima El-Tayeb, Alice Hasters, Daniel James, Tupoka Ogette, Katharina Oguntoye, Julia Okpara-Hofmann, Peggy Piesche, Noah Sow und Hadnet Tesfai in einigen ihrer Texte und Interviews vereinzelt den ausgeschriebenen Ausdruck N.1 und in wenigen Fällen auch das Wort N.2. Was das Aussprechen von „N-Wörtern“ angeht, konnten wir bei den meisten oben genannten Personen allerdings keine eindeutigen Aussagen finden. Generell werden die medienwirksamen Aussagen, die zu „N-Wörtern“ getroffen werden, oft sehr allgemein gehalten. Autorinnen und Autoren der tonangebenden ISD schreiben zum Beispiel, dass aufgrund der „despektierlichen Natur des N-Wortes (…) durchgängig auf die Reproduktion verzichtet“ wird. In der Praxis wird dies allerdings nicht immer von all denjenigen konsequent eingehalten, die es einfordern. Der pauschalisierende Grundtenor des ISD-Texts sowie ähnlicher Beiträge und Aussagen hat wiederum Auswirkungen auf die (Nicht)Akzeptanz ihrer Reproduktion, einschließlich akademischer Kontexte, wenn zum Beispiel „N-Wörter“ von Studierenden sogar in Geschichtsbüchern und historischen Texten oder nach dem Rezitieren von Zitaten skandalisiert werden. Die Wiedergabe von „N-Wörtern“ wird also von nicht wenigen rassismuskritischen Aktivisten, Akademikern, Entertainern und Studierenden grundsätzlich abgelehnt, auch wenn dies vielleicht nicht unbedingt die ursprüngliche Intention einflussreicher afrodeutscher Organisationen und Personen war oder ist. Zu denjenigen einflussreichen Afrodeutschen, die sich in jüngster Zeit mehr oder weniger eindeutig gegen die Verwendung des Wortes N.1/? ausgesprochen haben, ohne jedoch kontextuell zu differenzieren, gehören u.a. Manuellsen, Nura (Habib Omer), Aminata Belli, Tupoka Ogette, Aurel Mertz, Aminata Touré, Gerald Asamoah, Jasmina Kuhnke, Joy Denalane, Natasha Kelly, Anna Dushime, Yared Dibaba, Hadija Haruna-Oelker, Malcolm Ohanwe und Karamba Diaby. Auch auf die Sprecherposition wird von manchen explizit Bezug genommen. Ogette zum Beispiel schreibt: „Nicht-Schwarze Menschen müssen sich bewusst sein, dass die Reproduktion des ausgesprochenen N-Wortes immer auch bedeutet, Rassismus zu reproduzieren und zu zementieren“. Auch Nahim Sky, Nura oder Ohanwe erklären, dass das Aussprechen der Wörter N.1/2 nur bei Schwarzen gerechtfertigt sei. Die kategorische Forderung, auf den Ausdruck N.1/? (als Nichtschwarzer) zu verzichten, wurde in letzter Zeit auch von einflussreichen weißen Deutschen, wie zum Beispiel dem Influencer Rezo und der bekannten deutsch-iranischen Komikerin Enissa Amani verbreitet.

[13] Eine detaillierte Begriffsgeschichte des deutschen Wortes N.1 liegt bisher noch nicht vor.

[14] In ihrer ersten Ausgabe heißt es: „Wir wollen nicht mehr betrogen sein, sind es leid, weiter zu zahlen, sind die Bevormundung, Retter und Herren leid, und was wir anstreben, ist, unsere eigenen Ideen zu entwickeln und uns aus jeder Form von Tyrannei und Ausbeutung zu befreien, die uns versklavt und uns jeder Kraft der Gedanken und aller Äußerungen des gesellschaftlichen Lebens beraubt haben.“ (O Negro, Nr. 1. Lissabon, 09.03.1911, S. 1).

[15] Während Weißen nach der Haitianischen Revolution das Recht entzogen wurde, in Haiti Land zu erwerben, gestand die Verfassung Deutschen und Polen dieses Recht zu, nachdem sich Hunderte der dort stationierten deutschen und polnischen Soldaten den haitianischen Revolutionären angeschlossen hatten. Insofern galten auch diese Staatsbürger von nun an als „Schwarze“. Dies war wohl das erste Mal, dass ein Staat, der von Schwarzen regiert wurde, den Ausdruck „Schwarze/r“ nicht als eine exklusive phänotypische, ethnische oder „rassische“, sondern als eine inklusive sozio-politische Kategorie definierte und einführte.

[16] Sie druckten T-Shirts mit der Aufschrift „100% Negro”. Seit den 1970ern waren auch andere afrobrasilianische Gruppen und Organisationen aktiv wie Instituto de Pesquisa de Cultura Negra (1975), Agentes do Pastoral Negro (1983), União de Negros pela Igualdade (1988), Coordenação Nacional de Entidades Negras (1991), Grupo de Trabalho Interministerial para a Valorização da População Negra (1995) und Coletivo de Entidades Negras (2003). Bis vor kurzem war in Brasilien also der Ausdruck N.5 auch die führende politische Kategorie, um das politische Bewusstsein diskriminierter nichtweißer Gruppen zu unterstreichen.

[17] U.a. war dies sowohl dem Einfluss der afroamerikanischen Bürgerrechtsbewegung als auch der 3. Weltkonferenz gegen Rassismus in Durban (2001) geschuldet, im Zuge dessen diese Ausdrücke vermehrt popularisiert wurden.

[18] Bereits 1911 wurde die Negro Society for Historical Research gegründet. The National Negro Congress (NNC) setzte sich zwischen 1936 bis ca. 1946 für die Rechte von Afroamerikanerinnen und Afroamerikanern ein. Die Zeitschrift Negro Digest (1942) wurde im Jahre 1970 und die Association for the Study of Negro Life and History (1915) erst 1973 umbenannt. Auch das 1916 gegründete Journal of Negro History erschien bis 2001, während das 1932 gegründete Journal of Negro Education bis heute herausgegeben wird. Die Profibaseball-Ligen der Negro leagues, die zwischen 1920 und den frühen 1960ern u.a. auch afroamerikanische Eigentümer mit einschlossen, sind weitere Beispiele für die damalige Konjunktur des Wortes N.4.

[19] So bezeichnete sich Louis Brody (geb. M‘bebe Mpessa) in einem Artikel der Berliner Zeitung vom 24.5.1921 als „Schwarzer“ und nicht als N.1. Diesen schrieb er als Kommentar auf die Rheinlandbesetzung durch Frankreich, u.a. durch französische Kolonialsoldaten, nach der Niederlage der Deutschen im Ersten Weltkrieg. Dies führte in Deutschland zu der propagandistischen und antischwarzen Kampagne der sogenannten Schwarzen Schmach. Brody war ein in Deutschland lebender Schauspieler, Musiker und Ringer, der in der deutschen Kolonie Kamerun geboren wurde. In einem Schreiben an den deutschen Reichsaußenminister von 1929 wiederum, verwendete Wilhelm Munumé – er gehörte dem Verein LzVN an und war 1926 einer von zwei Kamerunern, die an einer antikolonialen Versammlung in einer Berliner Kneipe teilnahmen – fortlaufend die Bezeichnung N.1 für Schwarze (Bundesarchiv R1001 4457g S. 161–3). Wir bedanken uns bei Robbie Aitken für die Bereitstellung dieser Dokumente.

[20] Sowohl durch die Rezeption damaliger Publikationen von Afroamerikanern als auch durch Anstellungen in der Unterhaltungsindustrie kam es besonders in den 1920ern und frühen 1930ern zum Austausch zwischen Schwarzen in Deutschland und den USA sowie zur Kenntnisnahme afroamerikanischer Aktivitäten und sozialer Bewegungen von Schwarzen in Deutschland.

[21] Wie National Negro Business League (1900), Universal Negro Improvement Association (1914), Negro World (1918), Negro Factories Corporation (1919), Declaration of the Rights of the Negro Peoples of the World (1920) und American Negro Labor Congress (1925), also die Vorgängerorganisation der League of Struggle for Negro Rights (1930). Seit 1923 wurde ferner die Zeitschrift Opportunity: A Journal of Negro Life publiziert.

[22] Sie gaben die Presseorgane La Voix des Nègres (1927), La Race Nègre (1927) und Le Cri des Nègres (1931) heraus.

[23] Letztendlich geht dies vor allem auf Malcolm X zurück, der mit der Gründung der Organization of Afro-American Unity (1964) den Ausdruck „Afro-American“ nachhaltig popularisierte (der mittlerweile wiederum durch den Ausdruck African-American ersetzt worden ist).

[24] Nachdem Chialo Anfang Januar 2024 die Einführung einer Antisemitismusklausel für Kulturförderung, der die problematische IHRA-Arbeitsdefinition von Antisemitismus zugrunde lag, verkündete, ohne sich mit den Abgeordneten im Kulturausschuss hinreichend abgesprochen zu haben, nahm er sie bereits Ende Januar wieder zurück, u.a. da sie juristisch unhaltbar war. Dabei hätte er durchaus differenziertere, präzisere und wissenschaftlichere Antisemitismus-Definitionen zu Rate ziehen können wie die Jerusalemer Erklärung zum Antisemitismus.

[25] Hier unterscheiden wir uns also von Positionen, die etwa von dem Juniorprofessor für Didaktik Karim Fereidooni vertreten werden, der öffentlich eine von „N-Wörtern“ bereinigte „sensible und kritische Neu-Auflage“ von Tauben im Gras empfiehlt. Eine solche Vorgehensweise, die Romane von heute als rassistisch empfundenen Vokabeln bereinigt, könnte letztendlich geschichtsvernebelnde Züge annehmen, da der real existierende Rassismus, der gegebenenfalls durch bzw. in den jeweiligen Werken zum Ausdruck kommt, verharmlost werden würde. Anders ist in diesem Zusammenhang die Kinderliteratur zu bewerten. Hier möchten wir klarstellen, dass es u.E. wenig Sinn ergibt, die Wortwahl in Kinderbücher zum Beispiel in Form von Fußnoten zu historisieren, da diese Praxis nicht kindgerecht ist. Kinder nehmen die imaginären Welten der Bücher oft ohne zeitlichen Abstand wahr und lernen die Welt durch sie kennen. Eine Vermeidung von heute als rassistisch empfundener Begriffe und von seit fast einem halben Jahrhundert abgelehnte Fremdbezeichnungen in der Kinderliteratur erscheint uns also durchaus sinnvoll. Auch wenn das kaum etwas an stereotypisierenden Bildern ändert, die in der Kinderliteratur des 20. Jahrhundert erzeugt worden sind. Eine solche Forderung im Kontext von Forschung und Lehre, also bei der Beschäftigung mit historischen Quellen und Zitaten sowie der allgemeinen Erwachsenenliteratur finden wir allerdings nicht überzeugend.

[26] Allerdings kann Objektivität in letzter Konsequenz nie wirklich erreicht werden, während der Empfängerhorizont auch durchaus problematische Züge annehmen kann, zum Beispiel wenn die Mehrheit der Gesellschaft rassistische Einstellungen besitzt.

[27] Im Roman kommen die Ausdrücke N.1/2/4 vor.

[28] Allerdings wäre es wünschenswert, wenn eine kritische Auseinandersetzung mit dem Rassismus jener Zeit klar in der Lehrerausbildung behandelt und in den Curricula verankert würde. Inwiefern und ob dies überhaupt in Baden-Württemberg gegeben ist, haben wir nicht weiter verfolgt.