• Wir sind nicht Leitkultur

    Birte Förster (@BirteFoerster): Ich wache am Sonntagmorgen auf und lese wieder einmal, das Land brauche eine „Leitkultur“. Der Text des Innenministers zielt auf Ähnlichkeit, er entwirft einen homogenen kulturellen Handlungs- und Haltungskatalog, in dem ich – das protestantische Kind zweier deutscher Bildungsaufsteiger – mich kaum wiederfinde, nicht als Demokratin, nicht als Frau, und als Historikerin erst recht nicht. Wir haben doch längst eine Grundlegung unseres Zusammenlebens – dass wir uns alle ähnlich sein müssten, steht ausdrücklich nicht im Grundgesetz. Es schützt vielmehr kulturelle, politische und religiöse Vielfalt, es schützt vor dem Zwang zur Ähnlichkeit, zur Homogenität, wie ihn der NS-Staat vorschrieb. Ein Mensch, so formulierte es Carolin Emcke in einer ihrer SZ-Kolumnen, muss mir eben nicht ähnlich sein, um die gleichen Rechte wie ich zu haben. Der eigene Lebensentwurf ist immer nur einer von vielen, zugleich besteht kein Recht darauf, in den eigenen Haltungen nicht auch einmal irritiert und herausgefordert zu werden, nur weil man sich als Teil eines kollektiven „Wir“ wähnt. (mehr …)
  • Obergrenzen der Akzeptanz?

    Ein Ziel von Carolin Emckes Buch Gegen den Hass , dessen wesentliche Thesen auch in ihre Rede zur Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels am 23. Oktober eingingen, ist es, akademisch lang etabliertes Wissen – Seyla Benhabibs Sammelband Democracy and Difference [2. Seyla Benhabib, Democracy and Difference. Contesting the Boundaries of the Political. Princeton, NJ 1996.] ist zwanzig Jahre alt – in die öffentliche Debatte zu tragen, es im Alltag verankert zu sehen. Buch und Rede geben derzeit im Feuilleton nicht nur dazu Anlass, Emckes Denken zu reflektieren. Stattdessen tobt wieder einmal der Differenzkrieg. Emcke, die die Macht von Sprache und Präzision bei der eigenen Wortwahl zu einem Kern ihres Arbeitens gemacht hat, trifft nun jene Undifferenziertheit, gegen die sie anschreibt. (mehr …)