Streamen, Floaten, Driften. Prosanova-Rumhängen

Aber geht doch erstmal aufs Gelände, guckt euch bisschen um, trinkt was. Ja ok.

Umgucken als Umweg. Wenn ich noch nicht genug dazugehöre, wenn sich das mit dem Ticket erst noch regeln muss, gehe ich eben erstmal durch diesen Raum. Die Form „Festival“ zeichnet sich durch die schöne Struktur aus, dass der Ort, der sie selbst sein möchte, jedes Mal wieder neu erschaffen werden will. Wenn dann mit jeder Ausgabe ein neues Team sich dieser Definitionsmacht bedient, lässt sich das user-friendly als Behauptung lesen: Das hier ist es jetzt, so müsste das gedacht sein. Das gehört dazu und alles andere eben nicht.

Wie sieht das hier jetzt also aus? Der Text möchte bitte als Praxis gelesen werden. Er liegt so rumrhabarberlässig in der Eisenhalle, stellt sich Waldnatur-Projektionen entgegen, versucht sich selbst zu schreiben und ins Sprechen der Anderen hinein, die lieber nicht so gern die Anderen, sondern lieber mit ihrem Selbstsein in Ruhe gelassen sein wollen, kurz von links und mit Stern reinzuintervenieren.

Um das Gelände gibt es einen Zaun, mehrere Zäune, eine Choreographie des Öffnens und Schließens diverser Zugänge, aber die Texte werden offenbar gebeten, doch andere Wege zu nehmen. Johanna Maxl streamt „NUDE“ als Pillow-Talk in unsere verschwitzten Teenager-Schlafzimmer. Das prototypische Festivaldraußen zwischen Maschinenhalle und ALDI-Parkplatz wird verinselt, damit hier kurz in Seh-, aber außer Hörweite voneinander vier literarische Positionen in 10-Minuten-Einheiten eingenommen werden können. Es wird Taxi gefahren und spazieren gegangen.

Es gibt da eine Linie, der ich durch das Faltblatt-Aneinander des Prosanova-Programms folgen kann (unter strategischem Einsatz kleinerer blinder Flecken versteht sich) und an die ich Support pinnen kann: Diese Literatur will sich hier als verteilte behaupten; es artikulieren sich Zweifel am Verdichten. Der Text driftet, explizit und funny zum Beispiel bei Maren Kames, zwischen Monitor und Film und Song, dicht an der Oberfläche, wo seine Bewegung beobachtbar bleibt. Das Wasserglas gibt keinen Halt mehr.

Es schwirrt so ein Bewusstsein herum: *Vorlesen* gibt es nicht mehr. Aber wirklich von sich lassen möchte auch kaum ein Text. Bewegungen bleiben erstmal im Testmodus, im „Was-wäre-wenn“. Vielleicht müsste diese Literatur-Praxis sich ein Vorbild am Gelände nehmen. Wenn ich hierhin gehe und den Zaun hinter mir zuziehen lasse, komme ich nicht so schnell zurück. Bleib doch mal da, geh da doch mal weiter, verirr dich ein bisschen! Installation und Performance begegnen mir als Zitat, aber ich würde da gern weiter lesen und sehen, was passiert, wenn der Text sich von seiner Umgebung wirklich angehen lässt. Wenn er sich anstecken lässt von den Räumen und Situationen, in die er gestellt wird, statt seine eigene Atmo nochmal auszupacken. Für einen Moment. Eine Weinschorle oder ein Festival lang zum Beispiel (oder noch viel länger).

 

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