Mr. Monk, Columbo und die Pandemie

Die Künstlerin Tina Minorová hat einen Einfall. Für die Gestaltung einiger ihrer Poster gilt es, Serienfiguren ausfindig zu machen, deren Habitus während der Covid-19-Pandemie nachahmenswert erscheint. „Be like Sheldon, follow the rules.“ „Be like House, keep social distance.“ „Be like Monk, wash your hands.“ Ungleich geschmackloser ist in seinem klassisch patriarchalen Imperativ der Schriftzug, der die Figur des Columbo ziert, von dessen Gattin unzählige Male die Rede ist, die jedoch ausnahmslos mit Abwesenheit glänzt: „Be like Columbo’s wife, stay at home.“ So begleitet Minorovás Spiel mit ausgewählten Markenzeichen der Serien die auf den Postern abgebildeten Figuren.

Mit Monk und Columbo sind zwei Krimiserien genannt, auf deren Vergleichbarkeit schon Alessandra Stanley, die ehemalige Fernsehkritikerin der New York Times, hinwies. Die beginnt beim äußerlichen Wiedererkennungswert der Figuren, bei ihrer monotonen Garderobe: Der ungepflegt wirkende Inspektor Columbo tritt lässig auf, in einem zerknautschten beigen Trenchcoat und einem ebenso zerknautschten graurosa Anzug. Sein Schreibzeug steckt in jener der vielen Taschen, in die er als letztes hineingreift. Er tut verwirrt und vergesslich, schweift ständig vom Thema ab. Seine wichtigsten Fragen sind Nachfragen, fallen ihm auf dem Weg zur Tür oder erst draußen ein, so dass er umdrehen und ein zweites Mal anklopfen muss. Erst wenn sich die Mörder in Sicherheit wiegen, zieht er in kumpelhafter Penetranz seine Trümpfe aus dem Ärmel, freilich nicht ohne zu betonen, dass die Nachfragen unwichtig seien und die Antworten nur fürs Protokoll. In Begleitung seiner Accessoires – ein antiquierter Peugeot 403, ein „Hund“ heißender Hund, eine Zigarre und ein starker Akzent – fährt er eine äußerst erfolgreiche Strategie ablenkenden Understatements, durch die er sogar die Sympathien der Mörder für sich gewinnt. Doch immer wird seine Bescheidenheit von den Reichen und Schönen, in deren High Society er mit der Aufklärung der Fälle beauftragt ist, unterschätzt. Die Mörder werden fahrlässig, machen Fehler, gehen schließlich der arroganten Annahme einer Klassenüberlegenheit auf den Leim.

Monk dagegen tritt, wie der Name schon sagt, mönchisch auf, asketisch, beinahe steif. Sein Kleiderschrank besteht aus geradzahligen (ungerade Zahlen sind ihm ein Albtraum) Kontingenten an identischen wollenen Jacketts, braunen Hosen mit Bügelfalte, Paaren brauner Lederschuhe und hellfarbenen Hemden, die er bis oben hin zuknöpft. Was er anhat, kennt er buchstäblich wie seine eigene Hosentasche. Als er die kritische Zahl von nur noch fünf Hemden erreicht, begleitet ihn seine Assistentin zu seinem Laden für Herrenbekleidung. Dort wünscht er sich ein identisches Hemd, wie er es gerade anhabe. Doch es müsse durch die Qualitätsprüfung des Hemdenfabrikarbeiters Nr. 8 gegangen sein, dessen Fan er sei, weil ihm nie ein Fehler unterlaufe. Als er dann sein Hemd mit dem Schildchen Nr. 8 bekommt, jedoch Fehler in der Bearbeitung bemerkt, mutmaßt er sogleich, dass etwas vorgefallen sein müsse, darunter die ansonsten makellose Arbeit von Nr. 8 leide.

Dass Columbo in einem neuen Mantel „nicht denken“ könne, wie er einmal von sich sagt, dass er seinen alten verblichenen dafür benötige, ist etwas Gegebenes. Anders bei Monk: In seinen unzähligen Zwängen und Phobien ist die ewige Wiederkunft des Gleichen, um es einmal nietzscheansich zu sagen, mitreflektiert. Seine Angst vor Veränderung, die wiederum eine Angst davor ist, die Trauer um die ermordete Trudy, seine Ehefrau, abzulegen wie seinen Ehering und sein Witwersein zu akzeptieren, schreibt ein Immergleiches vor. Er habe gar keine Probleme mit Veränderung, nur wolle er, wenn sie eintrete, nicht in ihrer Nähe sein, heißt es einmal ganz treffend.

Auch seine detektivischen Fähigkeiten lassen sich als Produkte von Defekten erklären, während Columbos Spürnase ohne Historie daherschnüffelt. Da wäre einerseits sein Schönheitsbegriff. Schön ist für Monk, was symmetrisch ist. In einem Gemüsezuchtlabor werden ihm Würfeltomaten präsentiert. Natalie, seine Assistentin, will von der Labormitarbeiterin erfahren, wie eine solche schmecke. Monk: „Wen juckt es? Es ist eine Würfeltomate. [Zur Labormitarbeiterin:] Sie vollbringen das Werk Gottes.“ Er darf sogar eine mit nach Hause nehmen. „[Zu Natalie:] Es ist das perfekte Sandwich. Das perfekte! Es gibt keinen Überstand. Es gibt keine Verschwendung. Vier Neunzig-Grad-Winkel. Verdauungsstörungen werden dadurch praktisch beseitigt.“ Dementsprechend operiert der „defekte Detektiv“ an seinen Tatorten. Er hält in seinem Ordnungsfimmel durch eine Art ausgestreckte Merkel-Raute hindurch Ausschau nach Überständen, Asymmetrien und Unterbrechungen von Anordnungslogiken zwischen Leiche, Mobiliar und Haushaltsgegenständen. Dieselben unbekömmlichen Asymmetrien, die zum Fassen der Täter führen, offenbaren allerdings auch seine Untauglichkeit als Detektiv. Er lehnt sie derart ab, dass er oft die Beweise unbrauchbar macht, indem er die während des Verbrechens zerschlagenen Anordnungslogiken nicht nur gedanklich oder sprachlich, sondern auch materiell zu rekonstruieren beginnt.

Da wäre andererseits sein Reinheitsbegriff, das Sterilitätsbedürfnis nach einer Daseinsverfassung, die von nichts verunreinigt wird. Der wird zum einen deutlich, wenn Monk der „sauberste Raum“ in San Franciso zur Verfügung gestellt wird, komplett weiß und geruchlos, auf dass ihm die keimfreie Luft zur Auflösung des Falles verhelfe. Zum anderen in seiner Vater-Sohn-Beziehung zum zweijährigen Tommy, einem Pflegekind, das er für die Dauer der Suche nach einer neuen Pflegefamilie bei sich aufnehmen darf. Tommy fängt allmählich an, die Angewohnheiten Monks zu übernehmen: Sagt Monk „Natur schmutzig!“, wiederholt Tommy „Natur schmutzig!“. Die Übertragung geht so weit, dass das Ziehkind irgendwann die Speisekomponenten auf seinem Teller sauber voneinander separiert. Der Ziehvater kann es nicht ausstehen, wenn sie sich berühren oder miteinander vermischen. Bei der Trennung von Tommy ist die Einsicht Monks offensichtlich und braucht nicht ausgesprochen werden: Sein Leben ist für andere, vor allem für Kinder, kaum lebbar.

Beiden Serien ist zudem gemeinsam, dass die Detektive methodisch weit hinter dem Stand der Technik ihrer Zeit zurückbleiben. Der ramponierte Peugeot, den kein TÜV jemals für reparabel halten würde, ist in dem einen Fall nur einer der vielen Hinweise dafür, und auch Columbo verseucht Tatorte, zum Beispiel mit Eierschalen und Zigarrenasche. Die Spezifik von Monk hat Alessandra Stanley wie folgt auf den Punkt gebracht: Es präsentiere „eine leichtherzige Krimiserie im Stil der 70er Jahre in einer zeitgenössischen Fernsehlandschaft aus Blut, DNA-Proben und gemeinen Straßen“, darin gebe es „keine Leichenhallen, forensischen High-Tech-Labors oder blutgetränkten Tatorte“. Ein mobiles High-Tech-Labor taucht später auf, doch Monk kommt, nach anfänglichen Selbstzweifeln, dagegen an. Er hat das große Ganze des Verbrechens vor Augen und nicht das Klein-Klein wie die beiden state-of-the-art-Forensiker mit ihren Geräten. Gegen wen er nicht ankommt, ist der hartgesottene Anwalt, der ihn in ein unbarmherziges Kreuzverhör nimmt und gnadenlos seine Zwänge und Phobien ausnützt, was zum Freispruch des (schuldigen) Mandanten führt. Über das Hauptbeweismittel, die Skulptur einer nackten Frau, kann Monk gar nicht sprechen. Nacktheit ist ihm tabu. Am Tatort hat er sich die Skulptur gar nicht angeschaut. Das Reden darüber mündet während des Kreuzverhörs in einer piepsenden Selbstzensur.

Vieles deutet auf einen Rückzug Monks in Komplexitätsreduktionen. Der hat seinen Ursprung in der Trauer um Trudy, die als solche nicht aufhören darf. Das ist die Rahmenerzählung. Columbos Fälle werden dagegen von keinem roten Faden zusammengehalten. Das ist der große Unterschied. So steht Monk dem Optimisten Freud diametral entgegen. Letzterem ist die durch „Hemmung und Interesselosigkeit“ charakterisierte Trauer „restlos“ aufklärbar, wenn sie nicht in pathologische Melancholie umkippt. Das tut sie bei Monk nicht. Trotzdem hält er sich über die Länge der insgesamt 125 Folgen in der Spannung einer unendlichen Totenklage um Trudy, auf die es keine Antwort gibt. Ob die Serie einmal erzählt, was hundertfünfundzwanzigmal geschehen ist, oder hundertfünfundzwanzigmal, was einmal … – diese Frage ist berechtigt. Am symbolischsten stellt sie sich, wenn Monks Psychologe Dr. Kroger seinen Beruf an den Nagel hängen möchte und den Patienten dadurch in die fünf Phasen der Trauer stürzt: DABDA, benannt nach dem umstrittenen Kübler-Ross-Modell, besteht aus denial (Ablehnung), anger (Wut), bargaining (Verhandlung), depression (Depression), acceptance (Akzeptanz). Was sich eigentlich über eine längere Zeit erstreckt, dauert bei Monk wenige Minuten und wiederholt sich in Dauerschleife.

Trotzdem schafft es Monk mithilfe seiner aus wenigen Freunden bestehenden „Kernfamilie“ immer wieder, sich von seinem hemmenden und interesselosen Willen zur Komplexitätsreduktion zu lösen und sich dem unbekömmlichen Berufsalltag zu stellen. Er, der Reinheitsphantast, ist es, der schließlich mit einem Lepramann und mit Obdachlosen in Berührung kommt, der in die Kanalisation absteigt, um Menschenleben zu retten, etc.

Aufgrund der Ausgangsbeschränkungen und der Kontaktsperren während Corona sind viele von uns zu einer Qual für Mitmenschen geworden. Wie Monk. Wir wünschen uns klare Antworten und Planbarkeit. Wie Monk. Die bekommen wir nicht. Wie Monk. Unser Jammerniveau hat einen Höchststand erreicht. Wie bei Monk. Dennoch raffen sich die meisten von uns tagtäglich auf, verlassen ihre gutartigen gedanklichen Komplexitätsreduktionsspielchen und bewältigen ihren nicht selten sehr komplexen Alltag bravourös. Wie Monk. Monk ist die perfekte Serie in dieser beklemmenden Zeit und unbedingt wiederzuentdecken. Ein Trost für die, die vor dem Hintergrund gefühlt endloser Zäsuren und Trauer weiter funktionieren.