Werden alle Manager und Managerinnen gut?

Unternehmer und Unternehmerinnen sind populär, Manager und Managerinnen sind unpopulär. Zwar wird darüber gestritten, wie reich Tech-Unternehmer sein dürfen, aber es wird ihnen zugutegehalten, dass sie Leistungen erbringen, von denen die Allgemeinheit profitiert. Manager stehen vor allem wegen Fehlleistungen und kriminellem Verhalten im Blickpunkt, siehe Dieselskandal.

(Dieser Text ist im Novemberheft 2022, Merkur # 882, erschienen.)

Management als Funktionselement der kapitalistischen Ökonomie hat an gesellschaftlicher Anerkennung und an intellektueller Anziehungskraft verloren. Die klassischen Management-Ideen waren eng mit dem Organisationsparadigma verbunden. Große Unternehmen waren beharrliche Organisationen mit offiziellen und inoffiziellen Strukturen und Prozessen, in kleinen Unternehmen wurde nur gewurstelt. Die Tech-Unternehmer der Gegenwart implementieren die Organisationsform, die ihnen optimal scheint, und sie verändern sie in dem Augenblick, in dem ihnen die Organisationsform suboptimal dünkt. Management ist nur noch ein Produktionsfaktor unter vielen.

Wie sehr sich die Zeiten für Manager und Managerinnen geändert haben, wird beim Vergleich zweier Bücher deutlich. Führen, Leisten, Leben des an der Universität St. Gallen lehrenden Fredmund Malik war im deutschen Sprachraum das Management-Buch der Jahrtausendwende.1 It’s now der ehemaligen Personalvorständin der Siemens AG Janina Kugel ist das Management-Buch der Stunde.2

Zwischen den beiden im Abstand von zwanzig Jahren erschienenen Büchern liegen Welten. Malik verfasste ein säkulares Brevier, Kugel schreibt ein didaktisches Memoir. Maliks Ziel war »wirksames Management«: Was zählt, sind Resultate – alles andere zählt nicht. Malik ist der Auffassung, die Grundsätze und Regeln für wirksames Management isoliert zu haben. Management ist lernbar. Es gibt Grundsätze und Regeln, wer sich die zu eigen macht, wird Resultate erzielen. Es sei betont: Maliks Gegenstand ist Management, nicht Unternehmertum. Zu Maliks Zeiten wurde von Managern noch nicht verlangt, dass sie auch in hohem Maße unternehmerisch denken.

Wie ist die Management-Tätigkeit im Leben zu positionieren? Malik qualifiziert den Pursuit-of-Happiness-Approach für das Management – mache die Menschen zufrieden, dann werden sie leisten – blank als Irrlehre. Kein Fortschritt sei je aus Zufriedenheit heraus entstanden. Was die bewusst nicht zufrieden gemachten Beteiligten von Maliks Ansatz halten, bleibt außen vor. Dafür gibt Malik im Vorwort ein aus seiner Sicht realistisches Versprechen: »Wer sich im wesentlichen an die Vorschläge hält, die ich in diesem Buch mache, hat eine gute Chance, nicht nur eine wirksame Führungskraft zu sein, sondern neben seinem Beruf – vielleicht gerade wegen seines erfolgreichen Berufes – auch ein Leben zu haben.«

Auch ein Leben – das ist für die Führungskräfte von heute ein No-Go. Der Untertitel von Kugels Buch ist die Antithese zu Malik: Leben, führen, arbeiten – Wir kennen die Regeln, jetzt ändern wir sie. Das Leben kommt zuerst, und so herrscht im Buch ein kalkuliertes Gleichgewicht zwischen Leben auf der einen Seite und Arbeiten sowie Führen auf der anderen Seite. Kugel berichtet von Erfolgen in ihrem Arbeitsalltag als Human-Resources-Vorständin. Indessen kommen im Buch fast ausschließlich Win-win-Situationen vor, nicht nur die Autorin, auch alle anderen Beteiligten profitieren von den Entscheidungen der Autorin. Kugel beschreibt jedoch auch, es sei für sie ein »wahnsinnig befreiender Moment« gewesen, als sie nach ihrem Ausscheiden aus der Firma die Hoheit über ihren Terminkalender bekam. Wenn sich Leben und Arbeiten im Gleichgewicht befinden, warum ist dann der – in diesem Fall finanziell gut abgefederte – Abschied von der Arbeit eine Befreiung?

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