Merkur im Oktober

So selten wie einst wird das Turiner Grabtuch, auf dessen Echtheit selbst die Katholische Kirche nicht schwört, inzwischen nicht mehr ausgestellt – aber die aktuelle Gelegenheit war Burkhard Müller doch eine Pilgerreise wert. Er berichtet in vierzehn Stationen. Eine einfache Frage stellt Marcus Twellmann: „Digital Humanities – seit wann gibt es die?“ Die Antwort kann so einfach nicht sein, vielmehr gibt der Autor sie in Form eines historischen Rückblicks auf die Auseinandersetzung zwischen „Buchstaben-„ und „Zahlenmännern“ in den entstehenden Ethnoswissenschaften des 19. Jahrhunderts.

Einen etwas spöttischen Blick auf die Wissenschaft im größeren Ganzen wirft (frei lesbar) der Historiker Thomas Etzemüller: Dass sie nichts mit Selbstdarstellung der Wissenschaftler zu tun habe, glaubt sie ja – hoffentlich – selber nicht. Er erklärt dann, warum sie es in jedem Fall besser nicht täte. Wir ergänzen das mit drei Fotos Max Benses von Johnnie Döbele aus dem Jahr 1976, den einzigen, die Bense je bei einer Vorlesung von sich machen ließ.

In seiner Filmkolumne widmet sich Simon Rothöhler (im zweiten freigeschalteten Text) mit liebevoller Bösartigkeit einem sehr speziellen Objekt: Tom „Terrific“ Cruise, an dem sich viel über star branding lernen lässt. Harald Bodenschatz macht in seiner Urbanismuskolumne klar, dass es das Bauhaus nicht gibt. Und Wolfgang Matz beobachtet das intellektuelle Dreieck Adorno-Benjamin-Scholem in seinen  Briefwechseln, von denen der zwischen Adorno und Scholem gerade erschienen ist.

25 Jahre Wiedervereinigung – ein Grund zum Feiern? Ja, schon, meint der Brite Hans Kundnani. Aber nach den Europa-Krisen der jüngsten Zeit kann der Blick so ganz ungetrübt auch nicht mehr sein. Thomas Mayer, der Ex-Chefvolkswirt der Deutschen Bank, erklärt, warum Deflation eine feine Sache sein könnte, wenn das Geldsystem ein anderes wäre. Wenig feierlich bzw. ganz und gar nicht state of the art findet Paul Kahl, wie im Weimarer Schillerhaus des Dichters gedacht wurde und wird. Susanne Röckel blickt auf einen Gibbon in einem Gemälde von Muqi aus dem 13. Jahrhundert – und der Gibbon blickt zurück, was die Autorin auf dem Wege des Essays bis zu Emmanuel Lévinas führt. Und zum drittletzten Mal führt Stephan Herczeg für uns sein Journal.


 

Die Übersicht mit den Kaufmöglichkeiten für das Heft (in Print und Digitalformaten) sowie die einzelnen Artikel auf unserem Volltextportal.

Burkhard Müller        Pilgerfahrt zum Grabtuch
Marcus Twellmann                Zur Archäologie der Digital Humanities
Thomas Etzemüller     Wissenschaft und Selbstdarstellung    GRATIS
Simon Rothöhler          Tom Terrific. Filmkolumne    GRATIS
Harald Bodenschatz         Bauhaus, Bauhaus
Wolfgang Matz        Adorno (Benjamin) Scholem
Hans Kundnani       Die deutsche Einheit als Problem
Thomas Mayer             Der diskrete Charme der Deflation
Paul Kahl       Konturen einer Geosoziologie
Susanne Röckel           Wiener Leben
Stephan Herczeg                   Journal (XXX)