Null hoch drei
Reinhard Grindel lernte ich während seiner kurzen Zeit als Leiter des ZDF-Landesstudio Berlin irgendwann um das Jahr 2000 herum kennen. Ein paar mal war ich mit ihm auf einem Dreh, bei dem es meistens um Berliner Lokalthemen ging. Auffällig an ihm war, auf eine paradoxe Weise, seine besondere Unauffälligkeit bis hin zur Formlosigkeit, die man ja durchaus, wozu ich damals gewillt war, als Uneitelkeit auslegen konnte. Den Studioleiter ließ er nicht raushängen, begann immer ein wenig rumzukumpeln, sobald er auf dem Rücksitz unseres Autos Platz genommen hatte. Sein drollig meckeriges Kichern immer dann, wenn jemand einen Witz gemacht hatte, klingt mir immer noch in den Ohren. Grindel besaß in der Summe eine in jeder Beziehung so umfassende Mittelmäßigkeit, gepaart mit einer mäßig lustigen Jovialität, dass ich mich damals fragte, wie jemand wie er auf einen so relativ hohen Posten innerhalb des Senders gelangen konnte. Er war ja alles andere als ein leidenschaftlicher oder auch nur guter Journalist, in seinen Ansichten konservativer ZDF-Mainstream, jedoch ohne jede Fähigkeit, dieser ja nicht verbotenen Mediokrität pointierten Ausdruck verleihen zu können. Auch als besonders ehrgeizig oder etwa machthungrig erschien er mir nicht. Das Problem, fand ich damals, war, dass eine solche Null eine Funktion ausübte, auf der fast jeder andere besser geeignet gewesen wäre als Grindel. Ein harmloser Opportunist, eine Leerstelle.
(mehr …)
Der Newsletter der Kulturzeitschrift MERKUR erscheint einmal im Monat mit Informationen rund um das Heft, Gratis-Texten und Veranstaltungshinweisen.