Experiment und Weltverbesserung. Schnellparcours durch ein Œuvre in sieben Genres
Laudatio für Anne Weber zur Verleihung des Annette-von-Droste-Hülshoff-Preises 2024
Den „Schriftstellerinnen in Deutschland und Frankreich“ ruft Annette von Droste-Hülshoff zu:
Frischauf! – und will den Lorbeer man versagen,
O Glückliche mit unbekränzter Stirne!
O arm Gefühl, das sich nicht selbst kann lohnen!
Mehr ist ein Segen als zehntausend Kronen!
Vom Glück der unbekränzten Stirn weiß Anne Weber kein Lied zu singen und auf den bloßen Segen braucht sie auch nicht zu warten: Nach dem Annette-von-Droste-Hülshoff-Preis hat sie jüngst den Solothurner Literaturpreis und den Joseph-Breitbach-Preis erhalten.
Anne Weber gilt als Virtuosin der Form, als Skeptikerin der sprachlichen Konvention, doch l’art pour l’art ist ihre Sache nicht. Schon in ihrem Debut „Ida erfindet das Schießpulver“ (1999) verbindet sie den Drang zur Weltverbesserung mit ingenieurhafter Erfindungslust: Die Protagonistin Ida „denkt darüber nach, wie sie am besten die Erde / in die Luft sprengen könnte“ (das ist schwer, sie ist zu groß), aber lieber noch würde sie die gebrechliche Einrichtung der Welt korrigieren. Dabei macht sie sich ihre Verwandlungskunst zunutze, vor allem ihren „Vorrat an Köpfen. Sie besitzt Tausende von Köpfen, die bereit sind einzuspringen“. Idas Erfinderin besitzt jedenfalls einen deutschen und einen französischen Kopf: Geboren in Offenbach am Main, lebt Anne Weber seit vierzig Jahren in Paris und kann etwas, was niemand kann: Sie übersetzt nicht nur französische Literatur – Marguerite Duras, Pierre Michon, Cécile Wajsbrot – in ihre Muttersprache, sie übersetzt auch Peter Handke, Wilhelm Genazino, Sybille Lewitscharoff ins Französische. Dafür hat man ihr u.a. den Johann-Heinrich-Voß-Preis zuerkannt.
Über einen immensen Vorrat an Köpfen und Zungen scheint die Schriftstellerin Anne Weber zu verfügen: Ein jedes ihrer Bücher erhält die ihm maßgeschneiderte Form, ein jedes repräsentiert innerhalb des Œuvres eine Gattung für sich. Für meinen Schnellparcours möchte ich sieben Werke Anne Webers herausgreifen, die Autobiographisches ebenso verraten wie jene erstaunliche Einfühlung in fremde Köpfe, für die auch Annette von Droste-Hülshoff berühmt war.
1 Die Anekdote – „Ida erfindet das Schießpulver“
Dieses Buch hat Anne Weber auf Französisch geschrieben und dann selbst ins Deutsche übertragen; später wird sie umgekehrt vorgehen. In 55 in Versform gesetzten Kurztexten entwirft sie hier das Bild einer monströs bedenkenlosen Lebenskünstlerin, die den irdischen Gebrechen mit brachialer Beherztheit zu Leibe rückt. Zum Beispiel führt sie ein Ersatzteillager für alle ihre Organe (allein der „gute Mut“ und die Tatkraft werden manchmal knapp). Oder sie hält sich ein Double namens Paddie, das für sie ins Krankenhaus geht, Heidegger liest und „in Vernissagen Schreie des Entzückens unterdrückt“, während Ida nur tut, was ihr Spaß macht. Aber sie überlegt auch, im Geiste der Menschenrechte, die Einführung von nach den Bedürfnissen der Obdachlosen vorsortierten Mülltonnen. Wer nicht gerade das Schießpulver erfunden hat, der ist nicht besonders helle im Kopf, aber Ida ist doch nahe dran an der Erfindung. Und sie erkennt, „daß die Nichtsuchenden leichter finden als die Suchenden“. Oder, wie Droste das formuliert hat: „daß dem das Glück zumeist gewogen, / Der es am mindesten gehetzt“.
Es sind Miniaturen über selbstverliehene Größe und Ratlosigkeit, absurde Anekdoten, in denen uns eine anarchische Querdenkerin begegnet, die, zugleich weltfremd und gewitzt, einiges mit sich bringt, was sie für den Beruf der Schriftstellerin zu qualifizieren scheint: Das grundsätzliche Staunen angesichts der großen und kleinen Dinge des Lebens und die Verwunderung darüber, daß die anderen offensichtlich nicht an „akuter Verwunderung“ leiden. Sodann das „größte Mißtrauen“ gegenüber Wörtern wie „ergreifend“ oder „erschütternd“ und Menschen, die diese Wörter gebrauchen. Und schließlich überhaupt den Hang zur „Wortklauberei“, der mit einem Bekenntnis zur Genauigkeit einhergeht. „Die Sprache kommt Ida vor wie ein Schrank, vollgestellt mit zusammengewürfeltem Geschirr.“ Nichts paßt zusammen, kein Empfindungstopf findet da den passenden Deckel. Und dann ist da noch „die Schicklichkeit (eine große Feindin der Genauigkeit)“, weshalb Ida sich dem Kampf „gegen diese Art der Anstandsgrammatik“ verschreibt.
2 Der Liebesroman – „Luft und Liebe“
„Luft und Liebe“ erzählt die Geschichte einer Liebe und eines Romans über diese Liebe, der gleich zu Beginn entsorgt wird: Denn die Geschichte „war wie geschaffen für einen schlechten Roman, und so hatte ich ihr denn den Gefallen getan und den schlechten Roman, nach dem sie verlangte, auch geschrieben“. Anne Weber ist eine Spezialistin für die Vermählung von echtem Schmerz und Ironie, Fiktion und Metafiktion. Deshalb erzählt sie die „wahre“ Geschichte der Ich-Erzählerin, indem sie den verworfenen Roman erzählt – und nicht erzählt, indem sie Elemente der Verfremdung und Distanzierung (die Protagonistin hieß Léa) vorführt und zurücknimmt. Übrig bleibt ein französischer Adelssproß, der die Erzählerin jahrelang aus der Ferne anschmachtet, bis die beiden ein Paar werden, von Heirat sprechen und von einem Kind, ja sogar ohne Erfolg die mühsame Prozedur einer künstlichen Befruchtung auf sich nehmen, bis sich herausstellt, daß der Mann ein Doppelleben führt, bereits verheiratet ist und daß seine Frau ein Kind erwartet. Wie kann man sich unbefangen an den Beginn dieser Liebe erinnern, wenn man das Ende kennt? „Die Gegenwart macht uns die Vergangenheit suspekt“, weiß die Erzählerin. „Vor uns die Hoffnung, hinter uns das Glück / Und unsre Morgen morden unsre Heute“, sagt Droste in „Carpe diem“.
„Armer Ritter“ hätte der „schlechte“ Roman heißen sollen, weil der Liebhaber zwar ein stattliches Schloß in der Provinz besitzt, aber kein Geld. Anne Weber beschreibt die trostlose Pracht der verstaubten Zimmerfluchten mit solcher Anschaulichkeit, daß man die Erzählerin zu ihrem Verlust beglückwünschen möchte; immerhin gönnt sie ihr auch einen überaus raffiniert angedeuteten Liebesakt im dschungelhaft triefenden Schloßpark. Vor dem feinen Herrn und falschen Fuffziger hätte die Freiin von Droste-Hülshoff die Liebende zu warnen gewußt. „Ihr Toren!“ fragt sie, glaubt ihr, „Daß, weil zuweilen unter Zotten schlägt / Ein Herz, wo große Elemente schlafen, / Deßhalb wer eine feine Wolle trägt / Unfehlbar zählt zu den Merinoschafen?“
Die Erzählerin tröstet sich mit einem Rachefeldzug und der Verwandlung des Erlebten in künstlerisches Material: „Kann es sein, daß das Leben keinen anderen Sinn hat, als erzählt zu werden und im Erzählt-Werden immer wieder neu zu entstehen?“
3 Das Puppenspiel – „August“
August von Goethe, Sohn des Dichters und der gar gewöhnlichen Christiane Vulpius, gehört nicht zu den glamourösen Gestalten der Geschichte. Gerade deshalb hat er es Anne Weber angetan, und natürlich widmet sie ihm keine konventionelle Biographie, auch keinen klassischen historischen Roman, sondern ein vielstimmiges Potpourri. Die Wahl der Form ist dabei keineswegs willkürlich, vielmehr ist da, wie die Autorin in ihrer Korrespondenz mit Thomas Stangl sagt, etwas unter oder vor der Form, was nach der entsprechenden Gestalt verlangt und ihr etwa das Sprachgewand der Weimarer Klassik verbietet. „August. Ein bürgerliches Puppentrauerspiel“ versammelt Zeugenaussagen, Monologe, Dialoge, Lieder und Chorgesänge rund um „unsere Hauptperson / (im Hauptberuf Nebenperson)“ und behandelt diese bald mit mildem, bald mit drastischem Spott: „Mein Vater ist Goethe! leuchtete es aus / seinen Augen. Und deine Mutter eine Wildsau! / leuchtete es aus unseren Augen zurück.“ Ehe August, gemütskrank und trunksüchtig, mit vierzig Jahren, noch vor seinem Vater, in Rom den Tod findet und das bürgerliche Trauerspiel hinter der Maske der Farce sein Ende, kommt es zu einer Begegnung mit der Autorin. Der Held begehrt gegen seine Puppenspielerin auf, ohrfeigt sie gar: Er will nicht aus der Versenkung geholt und von einer fremden Frau zum Zappeln und Sprechen gebracht werden. „Anne Weber“, wie sie im Spiel heißt, weiß sich zu wehren: „Du bist tot. Du bist hilflos. Du bist in meiner Hand. (…) Das Stück geht weiter.“
4 Der biographische Essay – „Ahnen“
Ahnen, das läßt sich als Hauptwort verstehen und als Zeitwort; der Doppelsinn ist, wie alles bei Anne Weber, nicht zufällig. Was weiß man schon wirklich über seine Vorfahren? Auch hier ist die Gattungsbezeichnung eine Neuschöpfung: „Ein Zeitreisetagebuch“ benennt die tiefe Kluft der Zeit und die subjektive Position der Tagebuchschreiberin. Das Ich der Erzählerin ist in diesem (auto)biographischen Essay von Anfang an präsent, als Deutsche in Frankreich belastet durch die Hypothek deutscher Vergangenheit. „Was ist die Vergangenheit anderes als ein unzugängliches Totenreich?“ Wieder geht es also um einen Toten, der im Text zum Leben erweckt werden soll: Florens Christian Rang, den Urgroßvater der Autorin, hundert Jahre vor ihr geboren, vor hundert Jahren, 1924, verstorben, Freund und Briefpartner von Walter Benjamin, Hugo von Hofmannsthal, Martin Buber; Jurist und Theologe, Pastor und Politiker. Rang war eine Lichtgestalt der deutschen Geistesgeschichte, wenngleich nicht ohne Schattenseiten. Vom Hurrapatrioten und Kriegsenthusiasten 1914, vom Sympathisanten der Euthanasie wandelte er sich zum „tiefsten Kritiker des Deutschtums seit Nietzsche“ (Benjamin); er schrieb eine „Abrechnung mit Gott“ und publizierte in seinem Todesjahr die absolut unzeitgemäße Schrift „Deutsche Bauhütte“, die für eine tätige Wiedergutmachung der Kriegsschäden an Frankreich und Belgien warb.
Die Erzählerin, die als uneheliches Kind nicht wirklich zur Familie gehört, spürt dem Urgroßvater in „Ahnen“ mit Respekt und bohrendem Zartgefühl nach, sie reist an seine zeitweilige Wirkungsstätte Posen (polnisch Poznań) und zur Gedenkstätte der mörderischen NS-Heilanstalt Hadamar; sie fragt sich, wie einer der vier Söhne, ihr Großvater, ein überzeugter Nazi werden konnte, sie spricht mit ihrem Vater, der ihre Nachforschungen mißbilligt. Indem die Schriftstellerin sich vorstellt, was sie nicht wissen kann, werden aus Aktenvermerken Menschen. Entscheidend, nicht nur für die umfassende Versöhnung mit dem Urgroßvater, sondern überhaupt für Anne Webers Werk ist die Entdeckung des Gewissens: „Was ist das für ein seltsames, schönes Ding? (…) Wer hat es uns eingegeben?“ Anne Weber hält seine Stimme für wandelbar, je nach Zeit und Individuum, „doch dass es diese Stimme gibt, diesen tief in uns hineingepflanzten Fremden“, steht für sie fest. Ebenso fest wie für Droste-Hülshoff:
Uns allen ward ein Kompaß eingedrückt,
Noch keiner hat ihn aus der Brust gerissen:
Die Ehre nennt ihn, wer zur Erde blickt,
Und wer zum Himmel, nennt ihn das Gewissen.
Und in dem Gedicht „An die Schriftstellerinnen in Deutschland und Frankreich“ mahnt sie als dessen Sonderform das künstlerische Gewissen ein: „Ward denn der Führer euch nicht angeboren / In eigner Brust, daß ihr den Pfad verloren?“
5 Der Schelmenroman – „Kirio“
Ein Buch zu schreiben über das Faszinosum des Guten, der Güte, einen akrobatisch-verspielten Schelmenroman über einen guten Menschen, dieses Kunststück ist Anne Weber mit „Kirio“ gelungen. Die Titelgestalt erscheint durch das Prisma vielfältiger Erzähler als ein freundlicher Wiedergänger von Ida oder ein zum Heiligen verkehrter Handke’scher Wutheld. Unbeirrt frohgemut ist Kirio einer, der Ironie verweigert und alles „für bare Münze“ nimmt, nur nicht „die bare Münze selbst“; eine wandelnde Inselbegabung, die am liebsten auf Händen geht und Räder schlägt, ein hinreißender Flötenspieler, jedoch kein Pan – der „Großen Anakonda der Sinneslust“ weiß er sich zu entwinden. Kirio ist Wohltäter und Wundertäter, ohne tätig zu sein. Durch sein bloßes Dasein verbessert er die Welt. Die seinen Weg kreuzen, erleben ihn als hypersensibel und hyperempathisch: „Er sah, wie sie eindroschen auf diesen jungen Mann. Jeder Schlag tat ihm weh.“ Überflüssig zu sagen, daß solche Sensibilität auch die Dichterin auszeichnet. In dem Gedicht „Das Ich der Mittelpunkt der Welt“ deutet Droste die Gabe, „das Herz vom eignen Herzen“ zu nehmen, „Um freudig an das fremde es zu legen“ als Voraussetzung eines weltzugewandten Mittelpunktgefühls. Und die Linde in „Auch ein Beruf“, die, „nur auf Gottes Wink entsprossen“, in sich ruhend den Bedürftigen Schutz gewährt, sie ist ohne Zweifel als Vorbild für menschliches Bemühen gezeichnet.
6 Das Epos – „Annette“
„An die Weltverbesserer“ heißt das Gedicht, in dem Droste keineswegs vor revolutionärem Tun warnt, aber doch zu Vorsicht rät:
Pochest du an – poch nicht zu laut,
Eh‘ du geprüft des Nachhalls Dauer!
Drückst du die Hand – drück nicht zu traut!
Eh du gefragt des Herzens Schauer!
Wirfst du den Stein – bedenke wohl,
Wie weit ihn deine Hand wird treiben!
Am Ende von „Annette. Ein Heldinnenepos“ läßt die Erzählerin Anne, „so eine dieser großen ernsten Deutschen“, ihre Heldin erkennen, daß ihr Kampf für Algeriens Unabhängigkeit einer Militärdiktatur den Boden bereitet hat: „Sie trägt den Irrtum, der ein / Schmerz geworden ist, mit sich herum und / wälzt ihn auf den Hügel ihrer Jahre, und aus / dem Hügel wird ein Berg“. Zuvor mußte sie das von ihr in der Résistance angestrebte freie Frankreich als Domäne der Unterdrückung erleben.
Das unerhörte Leben der kommunistischen Widerstandskämpferin Annette Beaumanoir als Versepos nachzudichten ist wohl das kühnste von Anne Webers Form- und Gattungsexperimenten. Und als wäre Kühnheit ansteckend, wurde sie 2020 mit dem Deutschen Buchpreis belohnt, der doch ausdrücklich dem besten Roman des Jahres gewidmet ist. Anne Webers wundersames Portrait in traditioneller Verkleidung, ein Husarenstück als Travestie, erlaubt ihr Pathos und Coolness, Nähe und Skepsis, Spannungsaufbau und Abschweifung, rhythmischen Schwung und Ernüchterung. Das vielfarbige Epos besingt eine Frau, die ohne Zweifel jenes männliche Abenteurertum verkörperte, von dem Droste in „Am Thurme“ geträumt hat („Wär ich ein Jäger auf freier Flur, / Ein Stück nur von einem Soldaten“); eine Frau, die ihr Gewissen über das Gebot der Partei stellte und zwei jüdische Kinder rettete; eine Heldin, zugleich bewundert und entzaubert, die ihr privates Glück geopfert hat und vielleicht trotz allem glücklich ist wie Camus’ Sisyphos.
7 Der Reisebericht – „Bannmeilen“
Das große Buch der Pariser Banlieues erschien erst nach der Jury-Entscheidung, es soll hier jedoch nicht fehlen. „Ein Roman in Streifzügen“, wie der Untertitel lautet, ist kein klassischer Roman. Es gibt eine Ich-Erzählerin mit gewisser Nähe zur Autorin und einen hier Thierry genannten Freund mit algerischen Wurzeln, der einen Film über die Umbauten im Vorfeld der Olympischen Spiele vorbereitet und ihr anbietet, ihn auf seinen Wegen im berüchtigten Niemandsland jenseits des Périphérique, des Pariser Autobahnrings, zu begleiten. Stundenlang marschieren die beiden durch die Ödnis der Vororte, über Ausfallstraßen, durch Industriezonen, Hot Spots der Armut und Kriminalität, entdecken Friedhöfe, architektonische Überbleibsel und Waldgebiete, Inseln im Meer der Häßlichkeit, nicht zuletzt das kleine Café mit dem schönen Namen Montjoie – Frohberg oder Freudenberg – das ihnen mit seinen Stammgästen inmitten der Tristesse hoffnungsloser Zuwanderung zur Oase wird. „Bannmeilen“ ist eine präzise literarische Reportage, ein Reisebericht über die Fremde und die Fremden vor der Haustür, eine ethnographische Erkundung der Nähe, die mehr noch als an soziologischen Phänomenen, als an „den“ Afrikanern oder Arabern an Individuen interessiert ist. Vor der Folie der Begegnungen zeigt sich der Algerienkrieg als schmerzhafte Gegenwart, werden die Erzählerin und Thierry tatsächlich zu Romanfiguren, sie, die sich für Dinge schämt, für die sie nichts kann, er als assimilierter Franzose, als Linker und Feminist im Zwiespalt mit der Tradition seiner Väter.
Es fällt nicht leicht, hier Drostes Vision der Dichtung aufzurufen, das hoffnungsfrohe Bild von der Blume in der Wüste, die den verschmachtenden Pilger allein durch ihren „frommen Thau“ zu erquicken, ja zu retten weiß. Aber ich zweifle nicht daran, daß der Quell der Weber’schen Literatur der Glaube an ihre mitmenschliche, ihre moralische Verpflichtung ist. Nicht unbedingt im religiösen Sinne. Obwohl: Die Ida-Anekdote „Vermeintliche Gottlosigkeit“ endet mit den Worten: „Du bist doch wirklich eine kleine Lügnerin, Ida. Wen denn sonst als den lieben Gott willst Du mit Deinen Kunststücken beeindrucken?“
Herzlichen Glückwunsch!
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