„Angebote machen“. Demokratie als Konsum
Deutschland, 26. September 2021, 18 Uhr. Die Wahlen zum Deutschen Bundestag gehen zu Ende. Pünktlich um 18 Uhr kommen die Prognosen. Millionen Menschen beobachten, wie sich die Balken der aktuellen Umfragen verändern. Die ersten Hochrechnungen werden veröffentlicht. Freude hier, Enttäuschung dort. In den Fernsehstudios wird schnell hin- und hergeschaltet, man moderiert professionell durch einen Abend, der viele Fragen aufwirft. Wer stellt nun die Regierung? Für welche Koalition reicht es, für welche nicht? (mehr …)
Moralisierung
Am 27. Februar 2021 publizierte Jacques Schuster, der »Chefkommentator« der Welt, unter der Überschrift Wie Moral zum Totschläger der Debattenkultur verkommt einen Leitartikel in apokalyptischer Tonlage: »Immer schonungsloser wird in politischen Debatten das Gewissen als scharfrichterliche Instanz eingesetzt. Die Folgen sind verheerend: für den Westen, die Meinungsfreiheit und für die offene Gesellschaft.« Nicht nur wenn es um sexuelle Fantasien gehe, so Schuster, sei »political correctness« fehl am Platz. Der gesamte öffentliche Diskurs werde unter zu viel Moral erstickt.
Mit der Überzeugung, moralische Argumentationen drängten in Felder und Sphären ein, in denen sie kategorial fehl am Platz seien und daher nur Schaden anrichteten, steht Schuster nicht allein. Der Gedankenfigur von der unstatthaften »Moralisierung« kann man seit vielen Jahren und zugleich in ganz verschiedenen Kontexten begegnen. Ein Satz wie der Folgende von Jan Grossarth ist nur ein Beispiel von vielen: »Die Grünen moralisieren die Diskussion um Pestizide.«
Digitale Souveränität. Macrons Digitalisierungspolitik als Blaupause für die EU?
In seiner Sorbonne-Rede vom 26. September 2017 stellte Emmanuel Macron einen Begriff ins Zentrum seiner Überlegungen, der sich wie eine Art Leitmotiv durch seine Politik zieht: die Verteidigung, ja Erlangung europäischer Souveränität. Darin konnte man zum einen den Versuch erkennen, einen vom Front National (heute Rassemblement National) okkupierten Begriff wieder für die demokratische Mitte zu reklamieren. Zum anderen sollte damit schlicht das demokratische Versprechen politischer Gestaltung gegen den postdemokratischen Fatalismus verteidigt werden.