Januar 15, 2016 - Keine Kommentare
Der Forderung nach einer Armlänge Sicherheitsabstand hat der Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker viel Spott eingebracht. Neben der impliziten Verkehrung der Opferrolle ist diese Forderung Symptom eines Missverständnisses, das Privatsphäre im Öffentlichen fordert und damit die Voraussetzungen und die Abhängigkeit beider untergräbt.
Dass der Ort der Ereignisse symbolisch ist, haben viele Beobachter hervorgehoben: Wohl kaum ein Raum ist so radikal öffentlich wie die Kölner Domplatte vor dem Hauptbahnhof am Silvesterabend – Agora, Sakralbau und die Infrastrukturen des Transports sind dort in räumliche Nähe gerückt. Die Sicherheitsanweisung für Frauen, an einem solchen Ort mit Gesten des Abstands einen Raum für sich selbst zu schaffen, läuft darauf hinaus, in dieser Öffentlichkeit eine Privatsphäre aufrechtzuerhalten.
Im Hintergrund dieser Forderung scheint die Annahme zu stehen, dass Privatsphäre Schutz vor Übergriffen in der Öffentlichkeit gewähren soll, dass man also das Private vom Öffentlichen abgrenzen muss, um es zu bewahren. Sicher muss erzwungenen und gewalttätigen Grenzüberschreitungen mit aller Macht entgegengetreten werden – skandalös wie bedrückend am Fall Köln ist aber nicht nur, dass dies aufgrund der vieldiskutierten Überforderung der Polizei nicht geschah. An der Leichtigkeit, mit der irregeleitete Machtphantasien junger Männer – ob es sich um Migranten oder Deutsche handelt, ist lediglich eine Frage der Schattierung – diese Grenzen überschritten, hängt weitaus mehr. (mehr …)