• Wo bleibt das ideale Bildungssystem?

    Es kann doch nicht so schwer sein, ein wirklich gutes Bildungssystem zu bauen. Die Schulpädagogik blickt auf eine Tradition zurück, die bis in die Frühmoderne zurückreicht, und ihre Vertreter geizen nicht mit Vorschlägen, wie man es besser machen könnte. Warum fragt die Politik nicht einfach, was zu tun ist, und folgt dem Rat der Spezialisten? Im aktuellen Doppelheft des Merkur über "Macht und Ohnmacht der Experten" findet sich ein Artikel von Heinz-Elmar Tenorth*, der zu dieser Frage einiges beizutragen hat. Tenorth schreibt über Gleichklang und Kakophonie von Bildungsforschung, Bildungsidealismus und politisch motivierten Reformeifer von 1800 bis heute. Er ist Emeritus der Erziehungswissenschaften an der HU und ein stupender Kenner der Geschichte der deutschen Bildungswelt. Bei der Lektüre richtet sich mein erstes Augenmerk auf die Frage, was einen Experten zu einem solchen macht. Da fast jeder eine Schulbildung genossen hat, über Verwandte und Freunde in der Schule verfügt und mindestens einen Lehrer kennt, ist auch jeder irgendwie ein Experte. Fragt man auf einer abendlichen Gesellschaft zur fortgeschrittenen Stunde, welcher Reformen der weltweite Finanzmarkt, die Wahlordnung zur Bundestagswahl oder die Einspeisevergütungsregelungen für Solarstrom bedürften, hört man zwar einiges, aber selten etwas Konkretes. Wenn es dagegen um das deutsche Schulsystem geht, wird es sehr schnell sehr konkret: Kinder sollen länger zusammen lernen, mindestens bis zur 7. Klasse, Lehrpläne müssen radikal entschlackt oder gar abgeschafft werden und so auch die Notengebung, zumindest in den unteren Klassenstufen. Der Lehrer soll aus der Rolle des Wissensvermittlers zum Lernbegleiter werden, der zur Entfaltung befördert, was im Schüler angelegt ist. Die Lehrerausbildung muss praxisnah und die Zulassung zum Lehrerberuf leistungsorientierter organisiert werden, die Bezahlung könnte besser werden – besonders jenseits des Gymnasiums. Digitale Medien müssen fester Bestandteil des Unterrichts werden, der Bildungsföderalismus ist der reinste Blödsinn, Förderschulen sind eine himmelschreiende Ungerechtigkeit und die Konzentration von Kindern mit Migrationshintergrund in Haupt- und Realschulen sowieso. (mehr …)