CAR BRAIN. The musings of durchgeknallter Car Dealer

Es schneit. Die Autos schleichen dahin. Fußgänger gehen langsamer als sonst, sie gehen wie auf Eis. Sofort wird geräumt. Viele Leute sind mit der Beseitigung des Schnees, der fällt, befasst. Kleiner Schneepflug! Hehe, kleiner Schneepflug! Bildnis der Autorin als Kleiner Schneepflug. Der Schnee und die Sirenen. Die Schneehupe betätigen. Es schneit, ich muss die Schneehupe betätigen. Duolingo lässt mich sagen: Bu şahidim, kurban değilim. I am a witness, I am not a victim. Bu şehirde gezmek istiyorum. I want to walk around in this city. 

„Der destruktive Charakter ist immer frisch bei der Arbeit. Die Natur ist es, die ihm das Tempo vorschreibt, indirekt wenigstens: denn er muss ihr zuvorkommen.“ (Walter Benjamin: Der destruktive Charakter) Der destruktive Charakter, bei Walter Benjamin, ist eigentlich keine vollständig negative Figur, er erscheint als Gegenbild des bequemen Etuimenschen, der ja auch nicht ganz positiv gezeichnet ist. Der Text aus der Reihe „Denkbilder“ stammt aus dem Jahr 1931. Wie verstehe ich ihn? Räume, die Durchfahrt ermöglichen. Sachen aus dem Weg schaffen. „Der destruktive Charakter sieht nichts Dauerndes. Aber eben darum sieht er überall Wege. (…) Das Bestehende legt er in Trümmer, nicht um der Trümmer willen, sondern um des Weges willen, der sich durch sie hindurchzieht.“ (Walter Benjamin: Der destruktive Charakter). 

Aus dem Weg, und durchbrettern! Es scheint mir kein Zufall zu sein, dass Elon Musk einem Automobil-Unternehmen vorsteht. Wie hatte man dieses Unternehmen jemals als ökologische Avantgarde missverstehen können? Egal. Die reduzierte Art und Weise, wie Menschen in unterschiedlich großen Maschinen sich aufeinander beziehen, ist ein zivilisatorischer Rückschritt. Das Recht des Schnelleren, überall dort, wo kein Tempolimit herrscht. In einem Text, der im Jahr 1931 im Atlantic erschienen ist, heißt es unter dem Titel „Our delightful Man Killer“: „The trouble lies deeper than in bad driving. It lies in the fundamental incompatibility of machines and men, steel and flesh, in a running mix-up on the highways. Nothing on earth can make their intimacy safe.“ Our Delightful Man-Killer, by Seth K. Humphrey, Atlantic, December 1931. Interessant ist dabei, dass dieser Artikel im gleichen Jahr erschienen ist wie Walter Benjamins Denkbild über den destruktiven Charakter. 

Ich erinnere mich an ein Video, das vor ein paar Jahren durch das Netz waberte (mit Sicherheit ein Hoax), und das einen Tesla zeigte, der neben einem Friedhof geparkt war. Schattenhafte Geister umringten den Wagen, aufgezeichnet von dem Tesla-eigenen Video-Überwachungssystem. „If ghosts could be put to a useful purpose, every bad stretch of road in the United States would greet the oncoming motorist with groans and screams and the educational spectacle of ten or a dozen corpses, all sizes, sexes and ages, lying horribly still on the bloody grass.“ Readers Digest, in den 1930er Jahre, zitiert nach: Kaitlyn Tiffany: Everyone has Car Brain, erschienen im Atlantic, 5. Juli 2023.

Die Todesopfer, die der Automobilverkehr Jahr für Jahr fordert, wurden inzwischen normalisiert. Sie scheinen irgendwie dazuzugehören; als seien sie der Preis, der für Mobilität eben zu zahlen ist. Die Vorstellung von geisterhaften Leichen, die am Straßenrand liegen, hat sich allerdings inzwischen bei den meisten Leuten in Luft aufgelöst. Vor wenigen Tagen sah ich übrigens zum ersten Mal einen Cybertruck in freier Wildbahn, geparkt Crosby Ecke Bleecker Street. Auf weirde Weise vermählt sich der Eindruck von rappeligem Blech, ja fast einer Attrappe, mit einer auf regressive Weise ausgestellten, eher angriffslustigen Motorkraft oder plumpen Virilität. Ein Wankpanzer, schrieb Nancy Friedman, Word of the week (im April 2024). „The perfect neologism for a perfectly hideous automotive phenomenon.“

Die Fotos von 34 Cybertrucks, die mit dem Schriftzug „Fuck Elon“ versehen sind, die in diesen Februartagen im Netz zirkulierten, wurden allerdings schon am 24. Juni 2024 erstmals veröffentlicht, soweit ich das sehe. Damals stellte sich noch die Frage: „Why would anyone do this? It’s impossible to determine a motive without knowing who may have done it, but Tesla CEO Elon Musk has become a lightning rod for controversy in recent years.“ 34 Cybertrucks Vandalized With ‘Fuck Elon’ Graffiti in Florida. Heute scheint diese Frage beantwortet zu sein. Für die eckige Rückansicht eines Cybertrucks oder auch einfach nur für den Bumper des Teslas sind seit kurzem apologetische Aufkleber erhältlich, auf denen zu lesen ist: „I bought this before elon went crazy.“ Tscha. Wann war das genau? 

Lange Fahrt mit der Metro, die Häuser in Queens wirken wie schlecht zusammengenagelt, zwei Stockwerke, wenig Fenster, alles scheint gerade noch so zu stehen, wie auf Kante. Kabel, offen verlegt. Die marode Infrastruktur verweist darauf, dass das öffentliche Geld offenbar nicht dort ankommt, wo die Menschen es benötigen. Das Straßenbild lässt mich an ein autoritär geführtes Schwellenland denken. Und wer sich keine Eier leisten kann, soll sich einfach ein paar Hühner halten, im Hinterhof. Sicherlich. Bird Flu, please come flying. Rappelnde Rahmen, angedeutete Fenster, kaum zu heizende Innenräume. Wie laut die alten Schulbusse sind, mit ihren röhrenden Auspuffen! Wie die ohrenbetäubenden Linienbusse in Buenos Aires während der Wirtschaftskrise in den frühen 2000er Jahren.

Überhaupt ist Public Transport ein guter Marker für den Zustand einer Zivilgesellschaft. Und die Art und Weise, wie der Traffic, der Verkehr sich organisiert, sagt etwas aus über Respekt gegenüber Schwächeren, über Anstand und die Bereitschaft zur Rücksichtnahme. Das sind die Momente, in denen sich etwas zeigt: Schwarze Fahrzeugkolonnen, die im Sommer 2017 durch Istanbul bretterten, dahinter gepanzerte Wasserwerfer, flankiert von Limousinen. Die schwarzen, extrem raumnehmenden SUV-Kombis, die mit laufenden Motoren in Manhattan herumstehen. Nicht gekennzeichnete Busse, die sich mit überhöhter Geschwindigkeit den Weg durch New Yorker Straßen bahnen. Die vollausgefahrenen lichthupenden schweren Luxuskarren auf den linken Spuren deutscher Autobahnen. Die in der Moskauer Innenstadt falsch geparkten Hummer, an denen hochbewaffnete „Chauffeure“ lehnten, massive Geländewagen mit verdunkelten Scheiben, die im Moskau der 2000er Jahre nicht einmal Anstalten machen, an einer (für sie!) roten Ampel auch nur symbolisch zu bremsen. Ich möchte hier an den russischen Dichter Lew Rubinstein erinnern, der am 8. Januar 2024 in Moskau von einem als Verkehrsrowdy einschlägig bekannten Autofahrer auf dem Zebrastreifen angefahren wurde und am 14. Januar 2024 im Alter von 76 Jahren in einem Krankenhaus in Moskau starb.

Zurück in die USA: Car Brain! Thunderroad! Die Verbindung des amerikanischen Individualismus mit dem Individualverkehr, die Ermöglichung, das Heilsversprechen des Aufbruchs: „Oh, come take my hand. We’re riding out tonight to case the promised land. Oh, Thunder Road, oh, Thunder Road. Oh, Thunder Road.“ Der Freiheit des Aufbruchs zu jeder beliebigen Zeit steht die Bushaltestelle gegenüber, oder der Fahrplan der Züge, der die Wartenden zu einer mehr oder weniger unfreiwilligen Gruppe formt. „The real reason for progressives‘ passion for trains is their goal of diminishing Americans‘ individualism in order to make them more amenable to collectivism.“ (…) „Automobiles encourage people to think, they – unsupervised, untutored and unscripted – are masters of their fates. The automobile encourages people in delusions of adequacy, which makes them resistant to government by experts who know what choices people should make.“ So George Will im Jahr 2011, zitiert nach Paul Krugman: Lessons From New York’s Congestion Fight. 

Jenseits von Union Square in Richtung Uptown erstrecken sich eine Handvoll verkehrsberuhigte Straßen, was mich überrascht, als ich zum ersten Mal dort spazieren gehe. Dann Kunst auf Verkehrsinseln, Möglichkeiten zum Verweilen, Fahrradwege. Da konnte ich zwar bereits ahnen, aber noch nicht wissen, dass diese Räume bald bedroht sein würden. „The rage some Americans obviously feel at any suggestion that people should change their behaviour for the common good. What we’re seeing with regard to the congestion charge is that some Americans feel that rage even when they themselves aren’t being asked to make changes.“ 9. Februar 2025: Paul Krugman: Trump to New York: Drop Dead

Zehn Tage später, am 19. Februar 2025, präsentiert sich Trump mit einer offenkundig KI-generierten Abbildung, gekrönt und im hermelinbesetzten Königsmantel auf seinem offiziellen X-Account und verkündet: „CONGESTION PRIZING IS DEAD. Manhattan and all of New York is SAVED. LONG LIVE THE KING.“ Der ungehinderte Automobilverkehr wird New York retten! Ganz bestimmt. „Motor vehicles crashes are a leading cause of death in the US“, so CDC, das Center for Disease Control and Prevention, im November 2024.  Und dass selbstfahrende Autos daran etwas ändern könnten, gehört zu den techno-chauvinistischen Fehlannahmen, von denen bereits die Rede war. Egal. Warum Motonormativity ein wichtiger Stützpfeiler dieser Machtergreifung ist, ist offenkundig. Mobilität. Petro-Chauvinismus. Rennsport. Autobahnen. Dafür muss man nicht schlaflos sein, da reicht es, wach zu sein. „I promise, America will soon be the Cybertruck of countries—uglier than you could have imagined, built for rich chuds, borderline inoperable, and on fire.“ Here at DOGE, We’ve Streamlined Every Aspect of America’s Collapse, by Tom Ellison, auf McSWEENEY’S INTERNET TENDENCY’S, 5. Februar 2025.

Doch auch eine inkompente Behörde wie DOGE kann kritische Infrastruktur in besonderem Maße beschädigen oder zerstören. Und: „By shifting government decisions to AI systems they must know are unsuitable, these tech elites avoid a political debate they would probably lose. Instead, they create a nationwide IT crisis that they alone can fix.“ 9. Februar 2025. Eryk Salvaggio: Anatomy of an AI Coup: DOGE is gutting federal agencies to install AI across the government.

18. Februar 2025: „At least in the short term, the far right tends to benefit from chaos and disruption: this is another of the feedback loops that can turn a crisis into a catastrophe. Trump presents himself as the hero who will save the nation from the ruptures he has caused, while deflecting the blame on to scapegoats.“ George Monbiot: There are many ways Trump could trigger a global collapse. Here’s how to survive if that happens. Guardian, 18. Februar 2025.

Also, die Stadtreinigung in Manhattan funktioniert. Die ganze Nacht wird der Schnee weggeräumt, in the teeth of the storm: fleet and freezing rain. In derselben Nacht, gegen 3:43 Uhr, wird einem Studenten während einer Schneeballschlacht von einem „masculine presenting suspect“ die Nase gebrochen, informiert Campus Safety am nächsten Morgen. „Walk in groups when ever you can. There is always safety in numbers.“ There is always safety in numbers. Und: „Trust your instincts.“ 

Ich bin in keinem guten Zustand, was meine Instinkte angeht. Das, was spontan gemacht werden könnte, geht mir nicht von der Hand, während meine Smart Watch immer wieder Atemübungen vorschlägt. Jetzt nicht! Gleichzeitig fallen mir viele Sachen runter. Alles mögliche, die Tastatur, Gläser, Taschen, Bücher. Die Schwerkraft funktioniert sehr gut, während die Intuition nicht funktioniert. Die Straßen starren vor Salz, sie wirken kristallin. Wenn ein Truck darüberrollt, wirbeln die Salzkristalle auf und mischen sich in der Luft mit den Abgasen. Microwave popcorn is toxic to your brain. Das ist erst der Anfang. Es hat geschneit und alles hupte. Und in meinem Kopf wiederholt eine aufgebrachte weibliche Stimme immerzu: You’ve been using apple cider vineger the wrong way!!!!!

„Der destruktive Charakter tut seine Arbeit, er vermeidet nur schöpferische.“ (Walter Benjamin: Der destruktive Charakter) Immerhin wird es etwas heller. Das zurückhaltende Licht in der düsternen Beharrlichkeit des Vorfrühlings. Zerstörung wäre zumindest eine Möglichkeit. Das allergeringste Wissen: etwas ist kaputt. Der allerbilligste Todestri|eb, in seinem Vollzug. Das fehlende Wort. Fellow Canadians! 

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